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Vizekanzler Werner Kogler mit Kanzler Sebastian Kurz.

Foto: REUTERS/Leonhard Foeger

Wien – Die österreichische Bundesregierung hat viel vor in den nächsten vier Jahren – auch was Inserate und andere Werbekampagnen in diversen Medien betrifft. Über die Bundesbeschaffungsagentur (BBG) hat sie nun einen riesigen Werbeetat für die nächsten vier Jahre EU-weit ausgeschrieben. Es geht um ein Volumen von 180 Millionen Euro und eine Rahmenvereinbarung für Media-Agenturleistungen und Schaltungen bis zum Ende dieser Legislaturperiode. Drei Bestbieter werden gesucht, es geht um Werbung für die "Angelegenheiten der allgemeinen Regierungspolitik und Informationstätigkeiten der Bundesregierung". Die Angebotsfrist endet im Februar kommenden Jahres. (Hier geht es zur Ausschreibung).

Ein derartiger Etat ist von der Bundesbeschaffungsagentur noch nie ausgeschrieben worden, bislang wurden solche Aufträge projektbezogen und zum Teil bei den Medien selbst vergeben. Mit einer derartigen "Generalvergabe", wie es ein Brancheninsider nennt, würde das bisher übliche System der Einzelausschreibungen beendet – auch auf Ebene der Bundesländer. Denn nicht nur die Bundesregierung wird ihre Werbekampagnen im Rahmen dieser Vereinbarung abrufen, sondern auch weitere Unternehmen bzw. Institutionen, die in einer zum Rahmenvereinbarung gehörenden Liste aufgezählt sind.

Der Verband der Österreichischen Zeitungen sieht die Bundesregierung mit der Ausschreibung der Werbekampagnen "auf richtigem Weg", die Ausschreibung über die Bundesbeschaffungsagentur und Auslagerung der Mediaplanung führe zu mehr Professionalität in der Kampagnenplanung, mehr dazu lesen Sie hier.

Wie DER STANDARD berichtete, schrieb die Regierung auch Kreativagenturleistungen in einem noch nie dagewesenen Umfang aus – um 30 Millionen Euro. Es geht in beiden Fällen um Rahmenvereinbarungen: Das heißt, der Bund muss den vollen Umfang des Auftrags nicht abrufen.

FPÖ fordert sofortigen Stopp

Die FPÖ forderte in einer Aussendung am Dienstag den sofortigen Stopp der Ausschreibung. Parteichef Norbert Hofer verwies darauf, dass die Regierung laut den veröffentlichten Medientransparenzdaten in den vergangenen Jahren lediglich zwischen 19 und 25 Millionen Euro für Inserate ausgegeben hatte und die nun geplanten Summen auf eine Verdoppelung hinauslaufen würden. "Das ist nichts anderes als das Vorhaben, sich eine regierungsfreundliche Berichterstattung in den Medien zu erkaufen", so Hofer.

Der grüne Abgeordnete Michel Reimon erklärte die Ausschreibung des 30 Millionen-Euro-Etats damit, dass es sich nur um einen Rahmenvertrag handle. Andere Agenturen könnten innerhalb dieses Rahmens als Subunternehmer des Hauptauftrages auftreten. Nötig sei dies, weil die Regierung im Rahmen der Corona-Krise bemerkt habe, dass sie wegen der Ausschreibungsrichtlinien keine raschen Kampagnen aufstellen könne. "Es ist also nicht so (und nicht gewünscht), dass eine Agentur zentral alle Kommunikation des Bundes macht", so Reimon auf Twitter.

In der Ausschreibung ist von einer "gemeinsamen Kommunikationsstrategie des Bundes" die Rede. Außerdem nimmt die Ausschreibung keinen Bezug auf die aktuelle Pandemie oder eine allfällige Impfkampagne im kommenden Jahr.

Neos fordern Neuausrichtung der politischen PR

Empört reagiert Neos-Mediensprecherin Henrike Brandstötter auf den geplanten 30-Millionen-Euro-PR-Auftrag für Kreativagenturleistungen. "Das meinte Kanzler Kurz also mit 'Koste es, was es wolle'. Diese Regierung sitzt bereits jetzt auf einem ohnehin sehr voluminösen PR-Apparat. Darüber hinaus gibt sie freihändig jährlich Millionen für Regierungsinserate aus und hat bereits heuer das Volumen mit Corona-Kampagnen kräftig erhöht. Und genau diese Regierung gönnt sich jetzt zusätzliche zehn Millionen Euro jährlich, um mit einer Zunge zu sprechen? Das ist unverschämt und nicht hinnehmbar."

"Wir befinden uns in der größten Wirtschaftskrise seit dem Zweiten Weltkrieg und die Regierung möchte da mit dem teuersten PR-Budget aller Zeiten rauskommen? Die Menschen in Österreich haben genug von zahnlosen Regierungs-PKs und der türkis-grünen PR-Politik. Sie haben sich eine patente Politik verdient – und nicht Propagandaministerien", so Brandstötter in einer Aussendung.

Sie fordert stattdessen eine grundlegende Neuausrichtung der politischen Kommunikation der Bundesregierung und kündigt parlamentarische Kontrolle der angekündigten Propaganda-Offensive an: "Die Wiener Stadtregierung macht es durch die Initiative von Neos vor: Runter mit den Inseratenkosten, her mit einer echten Presseförderungen nach klaren Kriterien wie beispielsweise: Mitglied im Presserat, Redaktionsstatut, Bezahlung nach Journalistenkollektivvertrag. Es würde der Bundesregierung hier gut anstehen, sich ein Vorbild an Wien zu nehmen."

Laut Bundesbeschaffung Corona-Krise Grund

Die Bundesbeschaffungsgesellschaft begründet die Suche der Regierung nach einer Kreativagentur mit der Corona-Krise. "Die Notwendigkeit für diese Ausschreibung hat sich primär aus Erfahrungen im Zusammenhang mit der Corona-Pandemie ergeben", hieß es in einem Statement zur APA. Denn die Regierung habe keine geeignete Agentur unter Vertrag gehabt, daher sei es in der ersten Phase nicht möglich gewesen, eine Agentur für eine Informationskampagne zur Pandemie zu beauftragen.

"Daher gab es bis jetzt die Vereinbarung mit dem Roten Kreuz, deren eigene Agenturleistungen der 'Schau auf mich, schau auf dich'-Aktion der Regierung zur Verfügung zu stellen", heißt es in der Stellungnahme der Bundesbeschaffung GmbH vom Dienstagnachmittag.

Für das kommende Jahr, "das unter anderem im Zeichen einer Sars-Cov-2-Impfung und umfassenden Konjunkturbelebung in der Wirtschaftskrise stehen wird", sei "in Aussicht genommen, dass die Regierung Agenturleistungen eigenständig beauftragen kann", so die BBG. Mit der nun erfolgten Ausschreibung soll dies vergaberechts- und wettbewerbskonform sichergestellt werden. Das ausgeschriebene Volumen von 30 Millionen Euro sei "vorsorglich" gewählt. Es stelle die "maximale Obergrenze" für alle Ministerien und über die gesamte Legislaturperiode dar. Dieser Rahmen würde "wohl nur im Fall einer weiteren großen Krise" ausgeschöpft werden, so die BBG. (APA, gra, red, 24.11.2020)