Die von Kanzler Sebastian Kurz (ÖVP) ausgerufenen Corona-Massentests im Dezember bringen das Bundesheer und die Blaulichtorganisationen, aber auch die Länder und Gemeinden in zeitliche Bedrängnis. Unter Hochdruck wird daran gearbeitet, dass die breiten Screenings zunächst für Pädagogen am 5. und 6. Dezember und Polizisten am 7., 8., und 9. Dezember generalstabsmäßig abgewickelt werden können. Erst am 19. und 20. Dezember sollen dann breite Bevölkerungsteile durchgetestet werden.

Chaotischer Ablauf

Wie berichtet überraschte der Kanzler mit seiner Ankündigung nahezu alle anderen politischen Player und Zuständigen – eine Videokonferenz mit den Ländern am Montagabend, die am Dienstag fortgesetzt wurde, soll laut Zeugen "chaotisch" abgelaufen sein. Von einem "Übers-Knie-Brechen" der vom Kanzler angeordneten Massentests ist die die Rede.

Der Kanzler mit Gesundheitsminister Rudolf Anschober (Grüne) und Bildungsminister Heinz Faßmann (ÖVP) in Videokonferenz mit den Ländern: Sebastian Kurz (ÖVP) wirbt nun damit, dass die Erfahrungswerte rund um die Massentests für die anstehenden Impfungen nutzbar seien.
Foto: APA / Herbert Pfarrhofer

Wo spießt es sich nun konkret? Ein Überblick:

Rolle des Militärs umstritten

Bekanntlich wird das Bundesheer die Organisation der Massentests übernehmen – was dazu führen könnte, dass das Militär plötzlich Bürgermeistern und Landeshauptleuten etwas zu sagen hat. Doch das würde als Novum gelten.

Aus verfassungsrechtlicher Sicht ist das aber nicht vorgesehen, dass das Militär im Landesinnern in dominierender Rolle zum Einsatz kommt. Experte Peter Bußjäger von der Uni Innsbruck hält dazu fest, dass das Bundesheer Behörden innerhalb Österreichs nach entsprechender Aufforderung und in Assistenz unterstützen dürfe – doch auch Befehle an die Gesundheitsbehörden könne es nicht erteilen.

Alles andere würde "die Verfassung auf den Kopf stellen" und "in Richtung einer höchst problematischen "Militärstaatlichkeit" gehen. Und: Auch bei positiven Corona-Bescheiden müsse sich das Heer ausklinken, insistiert der Verfassungsjurist, da habe die örtliche Gesundheitsbehörde das Kommando. Denn es könne nicht sein, "dass das Militär Absonderungsbescheide übergibt".

Aufhorchen ließ der Stabschef von Verteidigungsministerin Klaudia Tanner (ÖVP), Generalmajor Rudolf Striedinger, am Dienstag damit, dass die Lehrer-Tests für das Heer kein Problem seien, aber das Screenen der breiten Bevölkerung nicht alleine zu bewerkstelligen wäre, denn "eine Mobilmachung des Bundesheeres" sei nicht vorgesehen".

Große Sorge in den Ländern

Selbst die ÖVP-geführten Länder sprechen offen virulente Probleme an: Schon zu Wochenbeginn hatte Salzburgs ÖVP-Gesundheitslandesrat Christian Stöckel, derzeit Vorsitzender der neun Referenten, darauf hingewiesen, dass im Falle positiver Schnelltests für die Getesteten sofort PCR-Tests und Contact-Tracing nötig seien. Dafür brauche es viel Personal und: Die IT-Systeme müssten bis dahin besser vernetzt sein. Am Dienstag erklärte Stöckel auf Ö1, dass nach den Massentests offenbar nur ein fallweise Contact Tracing stattfinden solle – positive Fälle kämen eben in Quarantäne.

Erst Dienstagnachmittag stellte Gesundheitsminister Rudolf Anschober (Grüne) klar: Bei den flächendeckenden Massentests werde es gar kein verpflichtendes Contact Tracing geben. So hätten das zuvor auch die Slowakei und Südtirol gehandhabt.

Oberösterreichs Landeshauptmann Thomas Stelzer (ÖVP) pochte auf eine Änderung der Rechtslage: Denn nach positiven Antigen-Tests müssen ebenso viele PCR-Tests durchgeführt werden. Hier müsse das Gesundheitsressort "rechtliche Verlässlichkeit" schaffen. Burgenlands Landesrat Leonhard Schneemann (SPÖ) beschreibt das überstürzte Management der Regierung so: "Wir bekommen erst kurz vor Zwölf Hinweise, wie alles ablaufen soll."

Ärztekammer-Präsident Thomas Szekeres bezeichnete die Massentests in der "ZiB2" am Dienstagabend als "eine logistische Herausforderung. Es werden alle zusammenarbeiten müssen, um diese Herausforderung zu meistern". Grundsätzlich hält Szekeres die Maßnahme für sinnvoll. Sie sei aber nur effektiv, wenn diese in Abständen wiederholt werde, was auch geplant sei.

ORF

FFP2 Masken für Lehrer ohne Test?

Salzburgs Landesrat Stöckl räumte auch ein: Was die Freiwilligkeit der Beteiligung an den Tests betrifft, würden Berufsgruppen wie Lehrer oder Gesundheitspersonal eine "gewisse gezwungene Freiwilligkeit spüren". Im Bildungsministerium betonte man prompt, dass auch für Pädagogen kein Testzwang bestünde, für Lehrer ohne Testat denke man eine Verpflichtung zum Tragen von FFP2-Masken im Unterricht an.

Medizinisches Personal gefragt

Weil die Regierung garantiert hat, dass bei der Abnahme der Abstriche nur geschultes Personal zum Einsatz komme, lautet der Tenor hinter den Kulissen: Ein Erfolg der Tests, für die es auch Drive-in-Stationen geben soll, stehe und falle auch mit der Beteiligung von medizinischem Personal. Wie das Bundesheer erklärte am Dienstag der Bundesfeuerwehrverband seine Unterstützung – stellte aber auch klar, dass sich die Feuerwehr beim Abnehmen von Abstrichen nicht einbringen könne.

Nur kurzer Nutzen

Für den Public Health-Experten Martin Sprenger, der das Beratergremium von Anschober & Co mittlerweile verlassen hat, sind Massentestungen, darüber sei man sich in akademischen Kreisen einig, "teuer und eine Reise ins Ungewisse" – man müsse sich vielmehr überlegen, wo die Mitteln effektiver eingesetzt werden könnten.

Logistisch wäre der "Wahnsinnsaufwand" für einen "geringen Nutzen", denn: "Massentests haben kurze Wirkung." Sinnvoller wären aus Sprengers Sicht "Testpunkte", die Menschen mit Corona-Verdacht in ihrer Wohnumgebung ansteuern können. Damit könnte ein wesentlicher Faktor in der Pandemiebekämpfung erreicht werden: Geschwindigkeit. (Walter Müller, Nina Weißensteiner, 24.11.2020)