Nebel liegt über der Stadt, die Sicht ist begrenzt. Die Tage werden kürzer, wir dürfen kaum raus. Doch halt, stimmt das?

Mitnichten, man kann es auch ganz anders sehen. Ja, die Fernsicht ist begrenzt, aber das eröffnet uns doch endlich die Sicht aufs Gute, das so nah liegt. Die Nächte, in denen wir lesen, fernschauen und sonst wie abhängen können, werden länger, und tagsüber können wir’s uns daheim fein machen. Alles eine Frage der Sichtweise – und der Sprache. Anders gesagt: Zeit für die Fortsetzung des Corona-Wörterbuchs der neuen Bedeutungen.

Vorbei die Zeit, in der unter Massentests jene Events verstanden wurden, denen sich Jahr für Jahr tausende junge Menschen aussetzen müssen, die tatsächlich ein Medizinstudium ergreifen wollen. Jetzt geht es um Covid-19-Schnelltestungen fürs Volk. Bei selbigen dürften manche Berufsgruppen lernen, was der fesche Begrifferzwungene Freiwilligkeit bedeuten kann.

Auch neuartige Maßeinheiten gibt es, eine Spur gehört dazu – abgeleitet aus der Einsicht des Vizekanzlers, wonach "die zweite Welle eine Spur unterschätzt wurde". Ebenso ins Gegenteil verkehrt: die Bedeutung der Ampel. Sie ist nun Synonym für sinnlose Orientierungseinrichtungen.

Und ja, dann wäre da noch die Absonderung, zu der Behörden K1-Personen (K1 ist in dem Fall kein Berg) verdonnern können. Die Suche nach einem Euphemismus fürs schlimm gestrige Wort Absonderung läuft noch. (Renate Graber, 25.11.2020)