Aus der Distanz schaut er ja sauber aus, aber ein genauer Blick auf den Mount Everest offenbarte nicht nur Müllberge sondern auch große Menge an Mikroplastik.
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Seit einigen Jahren plädieren Geologen dafür, das aktuelle Erdzeitalter Holozän enden zu lassen und ein neues Erdzeitalter einzuführen: das "Anthropozän". Immerhin seien spätestens seit der industriellen Revolution menschliche Aktivitäten zum Hauptantrieb topographischer und klimatischer Änderungen geworden, argumentieren die Wissenschafter. Wann genau das Menschenzeitalter per Definition beginnen sollte, ist allerdings umstritten. So schlagen manche etwa vor, dass man das Anthropozän mit dem Aufkommen von Plastik anfangen lassen könnte.

Als der deutsche Chemiker Hermann Staudinger 1920 mit seinem Artikel "Über Polymerisation" das Fundament der modernen Polymerwissenschaften gelegt hat, konnte noch niemand ahnen, wie sehr die neue Werkstoffklasse unsere Welt verändern sollte. Während man zu Beginn begeistert war von dem flexiblen, haltbaren und günstig herzustellenden Material, hat sich heute das Image von Plastik deutlich gewandelt. Wie man inzwischen weiß, verursacht gerade die enorme Beständigkeit von Kunststoff langfristig Probleme: Es zersetzt sich in den meisten Fällen nur sehr langsam und belastet dadurch die Umwelt in immer stärkerem Ausmaß, wahrscheinlich für Jahrhunderte.

Fünf Milliarden Tonnen Plastik landen im Müll und in der Umwelt

Wissenschafter haben errechnet, dass zwischen dem Beginn der Massenherstellung in den 1950er-Jahren und 2015 die Menschheit rund 8,3 Milliarden Tonnen Kunststoff produziert hat – das entsprecht der Masse von 822.000 Eiffeltürmen oder 80 Millionen Blauwalen. 6,3 Milliarden Tonnen davon gelangten in den Müll, wovon nur neun Prozent recycelt und 12 Prozent verbrannt wurden. Die restlichen annähernd 80 Prozent – also fünf Milliarden Tonnen – landeten auf Müllhalden und in der Umwelt.

Winzige Plastikpartikel sind mittlerweile auf der gesamten Erdoberfläche, in der Atmosphäre darüber und insbesondere in den Ozeanen bis in die entlegensten Tiefseegräben verbreitet. So haben etwa Biologen vor einiger Zeit im Marianengraben in 6.500 Metern Tiefe eine neue Flohkrebsart entdeckt, in dessen Bauch sie Mikroplastik fanden. Der Zivilisationabfall wurde zum Namensgeber der neuen Spezies: Eurythenes plasticus.

Höchster Müllplatz der Erde

In einer aktuellen Studie im Wissenschaftsmagazin "One Earth" haben Forscher nun nachgewiesen, dass selbst die Todeszone des Mount Everest, in etwa 8.440 Metern Höhe, nicht von Mikroplastikverschmutzung verschont geblieben ist. Es dürfte von der Kleidung von Bergsteigern und ihrer Ausrüstung stammen, nehmen die Wissenschafter an.

"Schon vor 50 Jahren wurde das Camp am South Col auf 8.000 Meter Höhe als der höchste Abfallplatz der Welt bezeichnet und der gesamte Berg als die höchste Müllhalde", sagt Imogen Napper von der University of Plymouth. Die leere Sauerstoffflaschen, Proviantverpackungen, Plastikflaschen und Zigarettenstummel übersäen mittlerweile die steilen Hänge des Berges. Im vergangenen Jahr sammelte die nepalesische Armee über 10 Tonnen Müll vom Mount Everest und seiner Umgebung ein.

Dass noch weiter oben auf dem höchsten Berg der Erde auch Mikroplastikpartikel zu finden sind, haben Napper und ihre Kollegen bei Expeditionen im Frühjahr 2019 festgestellt, als sie Schnee- und Wasserproben entnahmen und im Labor untersucht. Bei einem Großteil der gefundenen Mikroplastik-Teilchen handelte es sich demnach um weniger als fünf Millimeter kleine Partikel und Fasern aus Polyester, Acryl, Nylon und Polypropylen. "Dass wir Mikroplastik in jeder einzelnen Schneeprobe finden würden, hat mich doch überrascht", sagte Napper.

Schrumpfender Mount Everest-Gletscher

Aber nicht nur der Müll, auch der Klimawandel setzt dem höchsten Berg der Erde zu: Ein weiteres Forscherteam stellte bei der Auswertung von Satellitenbildern fest, dass die Gletscher seit den 1960er-Jahren um mehr als Hundert Meter geschrumpft sind und der Verlust der Eismasse sich zunehmend beschleunigt hat. In den nächsten Jahrzehnten werde sich der Schmelzprozess infolge des Klimawandels laut der Studie, die ebenfalls in "One Earth" erschienen ist, wahrscheinlich weiter beschleunigen, schreiben die Wissenschafter.

Auf dem Mount Everest ist für Bergsteiger besonders die geringere Sauerstoffverfügbarkeit gefährlich. Ein drittes Forscherteam fand nun aber, dass es seit Anfang des 20. Jahrhunderts einfacher geworden ist, den Mount Everest ohne Sauerstoffflaschen zu besteigen. Denn steigende Temperaturen hätten den Luftdruck auf der Spitze und damit die Sauerstoffverfügbarkeit erhöht, wie sie im Fachjournal "iScience" schreiben. (red, 29.11.2020)