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Sexarbeiterinnen und Sexarbeiter sind derzeit vom Umsatzersatz während des Lockdowns ausgeschlossen. Dagegen will eine neue Berufsvertretung nun klagen.

Foto: dpa/Sebastian Gollnow

Wien – Schon während des ersten Lockdowns hatte der Staat Bordellen das Rotlicht abgedreht. Danach rangen Sexarbeiterinnen unter teilweise prekären Bedingungen oder in der Illegalität um ihre Existenz. Seit dem 3. November bleiben die Türen der Studios und Laufhäuser wieder geschlossen. Wie Kasinos, Tanzschulen oder Museen dürfen sie vorerst nicht aufsperren.

Die Regierung verspricht zwar jenen Branchen, denen aufgrund der Covid-19-Schutzmaßnahmen Einkünfte wegbrechen, einen Lockdown-Umsatzersatz von 80 Prozent. Aber in den dafür geschaffenen Richtlinien für Freizeiteinrichtungen werden "Einrichtungen zur Ausübung der Prostitution" ausgenommen.

Passt nicht ins Weltbild

Das löste bei Sexarbeiterinnen Empörung aus. Im August gründete eine Gruppe die Berufsvertretung Sexarbeit Österreich (BSÖ). "Damit sind wir nun in der Lage, auf Ungerechtigkeiten gegenüber unserer Branche besser reagieren zu können", sagt die BSÖ-Mitgründerin und Domina Shiva Prugger.

Sie sieht im Ausschluss aus dem Lockdown-Umsatzersatz eine Ungleichbehandlung. "Es konnte uns im Finanzministerium niemand erklären, warum ausgerechnet wir keinen Umsatzersatz bekommen sollen", sagt Prugger. Sexarbeit ist in Österreich legal und habe ein Anrecht auf Unterstützung, "auch wenn unser Geschäft anscheinend nicht in das Weltbild mancher Politiker passt".

Laufhausbetreiber kritisiert Bürokratie

Auch Laufhausbetreiber wie Hanspeter Zwetti kritisieren den Lockdown-Umsatzersatz. Vonseiten der Behörden habe er noch keine klare Auskunft bekommen. "Ich weiß nicht, ob ich den Umsatzersatz erhalten kann. Versuchen werde ich es, aber unbürokratisch ist das Ganze nicht", so Zwetti.

BSÖ-Mitgründerin Prugger will gegen die Verordnung rechtlich vorgehen. Sie sieht die darin enthaltene Richtlinie als verfassungswidrig und möchte mit Verbündeten die Sammelklage des Rechtsanwalts David Jodlbauer von der Kanzlei Held Berdnik Astner & Partner unterstützen. Jodlbauer meint, dass "der sehr spezifische Ausschluss eine unsachliche Differenzierung des Gesetzgebers ist".

Gute Chancen für Klage

Das Finanzministerium rechtfertigt sich damit, dass Sexarbeiterinnen Anspruch auf den Härtefallfonds hätten und daraus Hilfen beziehen können. Vom Umsatzersatz seien sie nicht erfasst, da Sexarbeit nicht in die sogenannte ÖNACE-Klassifikation der Wirtschaftstätigkeiten falle. Sexuelle Dienstleistungen unterliegen nach gängiger Rechtsmeinung nicht der Gewerbeordnung und sind damit nicht Teil der Aktivitätsklassifizierung ÖNACE. Rechtsanwalt Jodlbauer lässt diese Begründung aber nicht gelten.

Verfassungsjuristen wie Andreas Janko, Professor für Öffentliches Recht an der Johannes-Kepler-Universität in Linz, geben einer Sammelklage der BSÖ jedenfalls gute Chancen: Sexarbeiterinnen gelten arbeitsrechtlich als Neue Selbstständige, auch wenn in der Praxis oftmals de facto ähnliche Arbeitsbedingungen wie für Dienstnehmer vorliegen. Es gebe einzelne Spezifika bei der Rechtslage in Sachen Sexarbeit, "ob die Ungleichbehandlung für Einrichtungen zur Ausübung der Prostitution in der Verordnung aber dann sachlich begründet werden kann, ist fraglich". "Der Lenkungseffekt dieser Handhabe ist auf jeden Fall verheerend, weil man so Sexarbeit in die Illegalität treibt", so Janko.

Spendenaufruf: "Helfen ist sexy"

Die BSÖ sammelt derzeit mit dem Aufruf "Helfen ist sexy" Spenden für Sexarbeiterinnen. Die Beratungsstelle Sophie der Volkshilfe Wien soll diese dann bundesweit verteilen. Eva van Rahden, Leiterin der Beratungsstelle, erklärt, warum: "Es gibt eine große Gruppe ohne Anspruch auf Hilfe, die zum Teil ihren Umsatz gar nicht nachweisen können oder kein österreichisches Konto haben. Jemand muss ihnen unter die Arme greifen." (Thomas Winkelmüller, 25.11.2020)