Tourismusministerin Elisabeth Köstinger (VP) und Cafetier Berndt Querfeld sprechen nach Irritationen mehr miteinander als vorher.

Foto: regine hendrich

Ein Kaffeehaus scheidet in Zeiten wie diesen als Treffpunkt für ein Doppelinterview aus. Also trifft man einander passenderweise und mit gebotenem Abstand im Sitzungszimmer des Tourismusministeriums am Wiener Stubenring. Ein doppelter Schwarzer, ungesüßt, dann kann es losgehen.

STANDARD: Sie sprechen wieder miteinander. Wenn man bedenkt, was im Sommer vorgefallen ist, ist das nicht nichts.

Köstinger: Also, wir haben immer miteinander gesprochen ...

Querfeld: Ich wollte gerade sagen, wir haben nicht aufgehört. Wir sprechen mehr miteinander als vorher.

STANDARD: Aber da war doch was? Sie, Herr Querfeld, haben im Juni in einem STANDARD-Interview gesagt, bei Ihnen sei kein Euro von den Hilfen angekommen, worauf Sie, Frau Köstinger, geantwortet haben, Sie hätten sehr wohl Hinweise, dass die Familie Querfeld Geld aus Hilfsmitteln erhalten habe.

Köstinger: Die große Aufregung war unbegründet. Es ist darum gegangen, ob beispielsweise die Mittel aus der Kurzarbeit eine Förderung oder Unterstützung für die Betriebe sind oder ausschließlich für Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen.

STANDARD: Und, was ist es?

Köstinger: Für mich ist es beides. Die Betriebe brauchen ja ihre Mitarbeiter.

STANDARD: Dann gab es noch Spekulationen über ein Datenleck.

Köstinger: Wir haben nie irgendwelche Daten weitergegeben. Herr Querfeld und ich haben uns ausgesprochen.

Querfeld: ... (denkt nach)

Cafetier Berndt Querfeld vergleicht seine Betriebe mit Bahnhöfen oder Flughäfen, die keinen Ruhetag kannten – bis der Lockdown kam.
Foto: regine hendrich

STANDARD: Das war ein langes Schweigen.

Querfeld: Ich habe überlegt, was ich darauf sage. Ich kann dem beipflichten. Das war auch eine Emotionsgeschichte. Unsere Betriebe sind wie Bahnhöfe oder Flughäfen – kein Ruhetag, immer offen. Selbst bei Umbauarbeiten haben wir nie zugesperrt und die Küche, wenn es sein musste, in einen Container ausgelagert. Dann waren plötzlich Panik und Schock da über die erzwungene Schließung, plus die Verantwortung für 350 Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen und viel Emotion. Wir wollten Programme haben, die es zu dem Zeitpunkt gar nicht so geben konnte, wie wir das gern gehabt hätten.

Köstinger: Es war tatsächlich so, dass es relativ schnell Überbrückungskredite mit Haftungen gab. In manchen Fällen hat es trotzdem länger gedauert, weil dafür auch rechtliche Abklärungen nötig waren, der Gesamtrahmen der ÖHT (Hotelbank, Anm.) erhöht werden und auch die Hausbanken mitspielen mussten, besonders bei hohen Summen. Für die 100-Prozent-Haftungsgarantien war auch eine Notifikation in Brüssel notwendig.

STANDARD: Wann haben Sie erstmals realisiert, dass Corona etwas Heftiges wird?

Köstinger: Ende Februar erstmals und dann natürlich, als ich Bilder aus Italien gesehen habe. Allerdings war uns die Dimension in Österreich zu dem Zeitpunkt in vollem Ausmaß nicht bewusst, zumindest mir nicht. Dass wir die Gastronomie, den Tourismus über Monate hinweg auf null zurückfahren müssen, war für mich unvorstellbar.

Querfeld: Wir hatten den besten Februar in der Firmengeschichte. Mit den Bildern aus Italien ist auch die Stimmung gekippt, Angst hat sich ausgebreitet.

STANDARD: Sie haben im Zusammenhang mit den Hilfspaketen im Sommer von vielleicht gut gemeinten, aber zerplatzten Luftballons gesprochen. Was hat sich seither verändert?

Querfeld: Ich hatte die Hoffnung, dass aus diesen Luftballons lederne Fußbälle werden, mit denen man unternehmerisch spielen kann.

STANDARD: Ein Beispiel?

Querfeld: Die Gastronomie hat sich lange eine Mehrwertsteuersenkung gewünscht. Die ist nachhaltig groß ausgefallen. Für alle Unternehmer, die im Sommer gut und im Herbst noch halbwegs Umsatz gemacht haben, ist das eine große Sache.

STANDARD: Getränke von 20 auf fünf, Speisen von zehn auf fünf Prozent …

Querfeld: Im Branchenmix sind es zehn Prozent Umsatzsteuersenkung. Das betrifft auch Eintrittskarten und Beherbergung.

Köstinger: Der reduzierte Mehrwertsteuersatz wird bis Ende 2021 verlängert. Das werden wir bei der nächsten Plenarsitzung im Nationalrat beschließen.

STANDARD: Was wird das kosten?

"Die bevorstehende Wintersaison wird die schwierigste in der Geschichte des Tourismus", sagt Tourismusministerin Elisabeth Köstinger (VP).
Foto: regine hendrich

Köstinger: Rund eine Milliarde, wahrscheinlich etwas weniger, weil die Umsätze heuer und nächstes Jahr niedriger sein werden als 2019.

STANDARD: Ein fester Lederball?

Querfeld: Das 15. Monatsgehalt verliert an Schrecken, das Geld bleibt sofort in der Firma., ohne dass man einen Antrag stellen muss.

STANDARD: Sie, Herr Querfeld, beschäftigten in ihren zehn Betrieben vor der Notbremsung rund 350 Mitarbeiter. Wie viele sind geblieben?

Querfeld: Aktuell haben wir noch 300. Wenn man die Fluktuation berücksichtigt, entspricht das der Normalität. Jetzt versuchen wir, langfristige Lösungen zu finden, weil, wie es aussieht, wir auch 2021 noch nicht in Vollbetrieb gehen können. Viele Unternehmen klopfen bei uns um Mitarbeiter an, nicht nur die Post. Das ist gut. Andererseits – wenn das Wasser wieder zurückkommt, sind das genau die Leute, die uns dann fehlen.

STANDARD: Was macht die Politik?

Köstinger: Wir zerbrechen uns intensiv den Kopf, wie wir das Problem lösen können.

STANDARD: Im Moment zieht es aus verständlichen Gründen kaum jemand in den Tourismus?

Köstinger: Da gibt es nichts zu beschönigen, die bevorstehende Wintersaison wird die schwierigste in der Geschichte des Tourismus. Selbst wenn die Reisewarnungen wegfallen, wird die Reisefreiheit auf die eine oder andere Weise auf unbestimmte Zeit eingeschränkt bleiben.

Querfeld: Es wird etwas Neues entstehen. Wir müssen uns ein Stückweit neu erfinden, Kooperationen eingehen. Es passieren irre Dinge. Neulich hat jemand gefragt, ob ein Fotoshooting im leeren Café Landtmann möglich wäre. Warum nicht? So etwas kann ich sonst nie anbieten. Wenn die Kaffeehäuser wieder etwas authentischer, wienerischer werden, dann hat die Krise auch für die Kaffeehauskultur etwas gebracht.

Köstinger: Das ist echt österreichisches Unternehmertum, nämlich neue Wege zu gehen, ohne die Geschichte über Bord zu werfen. Das wird uns auch durch diese schwierige Zeit tragen. (Günther Strobl, 25.11.2020)