Donald Trumps Zeit im Weißen Haus wird enden – langsam beginnt dieser zu kooperieren.

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Nachdem er seine Niederlage tags zuvor de facto eingestanden hatte, war Donald Trump am Dienstag damit beschäftigt, verbale Nebelkerzen zu zünden. In einem Tweet sprach er von Unregelmäßigkeiten beim Votum in Wisconsin, in einem anderen zitierte er den Schauspieler Randy Quaid, der verlangte, den gesamten Urnengang zu wiederholen. Er arbeite hart daran, den Gestank des Votums 2020 zu vertreiben, ließ er den Mimen nach einer Danksagung wissen. Wenn nicht alles täuscht, sind es bizarre Rückzugsgefechte eines Präsidenten, der sich massivem Druck aus den eigenen Reihen gebeugt hat, aber rhetorisch noch immer die Oberhand behalten will.

Mehr als zwei Wochen lang hatte sich Trump dagegen gesträubt, den Sieg Joe Bidens anzuerkennen. Seit dem 7. November, als die amerikanischen Fernsehsender seinen Widersacher zum Sieger erklärten, hatte er den unvermeidlichen Machtwechsel blockiert. Am Montagabend gab er sich geschlagen, wenn auch auf seine Art, ohne Biden zu gratulieren. "Im Interesse des Landes" habe er sein Team angewiesen, den Prozess für die Amtsübergabe zu starten, twitterte der Präsident. Er habe Emily Murphy, der Chefin der General Services Administration, der zuständigen Behörde der Bundesverwaltung, empfohlen, "zu tun, was getan werden muss". Es war die Zäsur, auf die man in Washington so lange gewartet hatte. Der Moment, in dem der Abgewählte die Realität zu akzeptieren schien. Am Dienstag folgten denn auch schon die ersten praktischen Schritte. Das Pentagon gab bekannt, eine Taskforce des Ministeriums werde unverzüglich damit beginnen, Kontakte mit Bidens Team zu koordinieren.

Konkretes statt Etikette

Murphy, einst von Trump ernannt, hatte am Abend zuvor ein Schreiben an den Demokraten geschickt, in dem sie ihn de facto als Gewinner der Wahl anerkannte. Zwar sprach sie darin nicht, wie es der Etikette entsprochen hätte, vom President-elect Joe Biden, doch was zählte, waren die konkreten Folgen. Erst von da an konnten Bundesmittel, rund sieben Millionen Dollar, an die Mannschaft des designierten Präsidenten fließen, um zum Beispiel Büroräume anzumieten und Personal zu bezahlen. Erst nach dem formellen Schritt erhält die neue Riege Zugang zu vertraulichen Akten. Erst jetzt darf sie sich von Mitarbeitern der noch amtierenden Regierung unterrichten lassen, um einen nahtlosen Übergang vorzubereiten.

Tatsächlich blieb Trump zu dem Zeitpunkt kaum etwas anderes übrig, als sich in sein Schicksal zu schicken. Vor Gericht wurde eine Klage nach der anderen abgeschmettert, nachdem seine Anwälte in keinem einzigen Bundesstaat Beweise für Manipulationen großen Stils hatten vorlegen können. Sein verzweifelter Versuch, die amtliche Beglaubigung des Resultats in Swing States mit republikanischer Parlamentsmehrheit hinauszuzögern, war am Montag in Michigan krachend gescheitert. Dort bestätigte eine vierköpfige Wahlkommission, dass Biden den Staat mit 155.000 Stimmen Vorsprung gewonnen hat. Während sich einer der vier, ein Republikaner, der Stimme enthielt, verbündete sich dessen Parteifreund Aaron Van Langevelde mit den beiden Demokraten der Runde, um das Resultat zu zertifizieren. Nicht nur das, Van Langevelde kommentierte seine Entscheidung auch noch mit überaus deutlichen Worten. "Wir sind ein Staat des Rechts", dessen Gesetze der Mensch zu akzeptieren habe, zitierte er John Adams, einen der Gründer der Republik.

Druck auf Michigan

Trump seinerseits hatte die Republikaner Michigans unter massiven Druck gesetzt, in der Hoffnung, das Ergebnis noch zu kippen. Ohne offiziell bestätigtes Resultat wäre es zumindest theoretisch denkbar gewesen, dass sich das Lokalparlament, kontrolliert von den Konservativen, einschaltet und ihn unter Hinweis auf nicht näher erläuterte Unregelmäßigkeiten zum Sieger ausruft. Am Dienstag folgte der nächste Rückschlag für ihn, diesmal in Pennsylvania. Auch der Keystone State, mit 20 Wahlleuten ein Schwergewicht im Electoral College, zertifizierte Bidens Sieg, ohne Trumps Wunsch nach einem Aufschub nachzukommen. Später schloss zudem das Oberste Gericht in Nevada die Prüfung der Ergebnisse ab und ernannte Biden zum Sieger.

Dass die Würfel gefallen sind, war spätestens mit dem Meilenschritt in Michigan auch Parteigranden klar, die lange gebraucht hatten, ehe sie sich aus der Deckung wagten. An der Basis, nicht zuletzt bei großen Teilen der weißen Arbeiterschaft, früheren Stammwählern der Demokraten, die 2016 zu dem Milliardär aus New York überliefen, kann Trump nach wie vor auf breite Unterstützung zählen. Allein schon die Angst vor der Rache jener Basis beim nächsten parteiinternen Duell dürfte erklären, warum die meisten Volksvertreter der Grand Old Party so lange zögerten.

Rufe aus seiner eigenen Partei

Nach dem politischen Dammbruch am Montag aber brach einer nach dem anderen sein (peinliches) Schweigen. "Ich habe Präsident Trump gewählt, aber Joe Biden hat gewonnen", twitterte Senator Bill Cassidy aus Louisiana. Lamar Alexander, ein Senatsveteran aus Tennessee, empfahl Trump, den Schaden zu begrenzen, statt als schlechter Verlierer in die Geschichtsbücher einzugehen. Auch für den Fall, dass er 2024 die nächste Bewerbung fürs Oval Office anpeilt. "Wenn man im öffentlichen Leben steht, erinnern sich die Menschen zuerst daran, was man als Letztes getan hat." (Frank Herrmann aus Washington, 24.11.2020)