Vielen Wienerinnen und Wienern ist die Seestadt womöglich nur als Endstation der U-Bahn-Linie 2 bekannt. In den letzten Jahren hat sich jedoch links der Donau, an der Stelle des ehemaligen Flugfelds Aspern, viel getan. Die Seestadt – mit rund 240 Hektar Fläche eines der größten Stadtentwicklungsgebiete Europas – zählt mittlerweile rund 8.200 Einwohnerinnen und Einwohner, und es wird noch weiter kräftig am neuen Stadtteil gebaut. Schließlich – so die für die Entwicklung des Gebiets zuständige Wien 3420 Aspern Development AG – sollen dort Wohnungen für insgesamt rund 20.000 Menschen sowie bis zu 20.000 Arbeitsplätze entstehen. Das neue Stadtentwicklungsgebiet ist mittlerweile auch ein Schaufeld für die Smart City Wien geworden: Mehrere Forschungsprojekte werden hier durchgeführt, und auch Innovationslabore, darunter ein Mobilitätslabor, sind in der Seestadt beherbergt.

Die täglichen Wege

Im Zuge der Entwicklung des Gebiets und insbesondere der Mobilität vor Ort wird eine starke Zusammenarbeit mit den Bewohnerinnen und Bewohnern im Rahmen verschiedener Beteiligungsformate betrieben. Im Zuge dessen wurde unter Leitung des aspern.mobil LAB, das vom Bundesministerium für Klimaschutz, Umwelt, Energie, Mobilität, Innovation und Technologie (BMK) gefördert wird, mittels App auch eine laufende Erhebung der Mobilität der Seestadt-Bewohnenden durchgeführt.

Die täglichen Wege und das verwendete Verkehrsmittel der zufällig ausgewählten und sich zur Teilnahme bereiterklärten Seestadt-Bewohnerinnen und -Bewohner werden aufgezeichnet. Hierdurch können Interaktionsmuster für den neuen Stadtteil in einer für Wien einzigartigen Detailebene aufgezeigt werden: Wie bewegen sich die Seestädterinnen und Seestädter im Stadtteil? Wie sind diese mit der restlichen Stadt verbunden? Erhebungen wie diese ermöglichen ein besseres Verständnis über die Mobilität und helfen so auch bei einer Optimierung bestehender Mobilitätsangebote, zum Beispiel im öffentlichen Verkehr sowie im Bereich des Radfahrens und Zufußgehens.

Wie bewegen sie sich?

Erste Analysen zeigen, zu welchen Orten und auf welchen Routen die Seestadt-Bewohnerinnen und -Bewohner mit dem Rad oder mit dem Auto in Wien unterwegs sind, beispielsweise welche der verschiedenen möglichen Radverbindungen von der Seestadt ins Stadtzentrum tendenziell am häufigsten gewählt wird.

Die mit dem Fahrrad aufgezeichneten Wege zeigen unterschiedliche, häufig (hellblau) und weniger häufig (dunkelblau) genutzte Routen in die Innenstadt sowie Freizeitwege in die Lobau im Süden der Seestadt.
Pühringer/Soteropoulos
Für Pkws gibt es nur zwei Zufahrtsmöglichkeiten in die Seestadt – ein Großteil der Wege führt von dort auf die Südosttangente oder in die umliegende Donaustadt, zum Beispiel in das Gewerbegebiet Stadlau (hellrot).
Pühringer/Soteropoulos

Ein Blick allein auf die Nutzung öffentlicher Verkehrsmittel zeigt die große Bedeutung der U-Bahn-Linie 2 für das Stadtentwicklungsgebiet: Nutzen die Seestadt-Bewohnerinnen und -Bewohner öffentliche Verkehrsmittel, so sind sie vor allem mit der U-Bahn-Linie 2 unterwegs. Sie kann als Lebensader für die Mobilität bezeichnet werden und stellt eine essenzielle Verbindung zum Stadtzentrum dar.

Die ÖV-Wege machen die Bedeutung der U-Bahn-Linie 2 sichtbar – zwischen der Station Aspernstraße und Seestadt zeigen sich anhand der zwei häufig genutzten Routen (hellorange) individuelle Präferenzen zwischen Autobus 84A und U-Bahn.
Pühringer/Soteropoulos

Im detaillierten Maßstab können Analysen der Mobilitätsdaten der Seestadt-Bewohnerinnen und -Bewohner darüber hinaus helfen, sich beispielsweise einen Überblick über die Fußwege im Stadtteil zu machen. Welche Routen werden benutzt, um zur U-Bahn-Station zu gelangen, und in welcher Form könnten vorhandene Wege angepasst werden, sodass die Wegverbindungen besser mit den tatsächlichen Bedürfnissen der Seestädterinnen und Seestädter zusammenpassen?

Die rosa Linien zeigen die aufgezeichneten, unterschiedlichen Routen der Seestadt-Bewohner zur U2-Station Seestadt.
Pühringer/Soteropoulos

Bisher stehen diese Analysen für die Seestadt erst am Anfang. Durch eine aktive Einbindung der Seestadt-Bewohnerinnen und -Bewohner in die Entwicklung des Gebiets und eine Analyse ihrer Mobilität kann jedoch eine gemeinschaftliche und laufende Anpassung des Mobilitätskonzepts (Wohin geht es?) sowie die Messung des Zielerreichungsgrads (Wo stehen wir?) im Sinne der Co-Creation sichergestellt werden und die Seestadt Aspern zu einem lebenswerten Stadtteil entwickelt werden. (Aggelos Soteropoulos, Florian Pühringer, 26.11.2020)