"Die besten Ideen sind meistens die, die beim ersten Hören schon gut klingen", glaubt Udo Landbauer.

Foto: matthias cremer

Udo Landbauer gehört zur Speerspitze der aktuellen FPÖ-Linie in Corona-Fragen: Der blaue Partei- und Klubchef in Niederösterreich trägt die Radikalopposition zu den Maßnahmen der Regierung auch ins blau-gelbe Land hinein.

Viele Personen, die wegen Corona heute auf der Intensivstationen landen, wären vor der Pandemie palliativmedizinisch behandelt worden, behauptet Landbauer. Das sei aber nur "eine Feststellung", keine Bewertung. Sterben gehöre "nun mal zum Leben dazu", das gelte besonders für Seniorenheime. Dennoch habe es die Regierung verabsäumt, rechtzeitig für die zweite Welle vorzusorgen.

STANDARD: Ende September behaupteten Sie, die Zahlen würden nur wegen der vielen Tests scheinbar steigen. Nun befindet sich die Intensivmedizin an der Belastungsgrenze. Rückblickend muss man sagen: Zum Glück hat niemand auf Sie gehört, oder?

Landbauer: Dass die Zahlen natürlich im Herbst und Winter steigen werden, war auch jedem Nichtmedizinier klar. Aber die Regierung hat in den vergangenen acht Monaten nichts getan. Man hat nichts aufgestockt. Natürlich dauert das beim Personal seine Zeit. Aber jedenfalls hätte man im Sommer bereits damit beginnen müssen. Das ist nicht passiert.

STANDARD: Österreich hat doch vergleichsweise viele Intensivbetten, aber irgendwann kommt jedes System an eine Grenze, wenn die Belastung exponentiell steigt. Müssen Sie nicht eingestehen, dass es Einschnitte für die Bevölkerung braucht?

Landbauer: Nein, eben nicht, das ist ja genau der Denkfehler. Wir müssen lernen, damit umzugehen, und jene, die gefährdet sind, auch entsprechend schützen. Bei den Bettenkapazitäten muss man auch ehrlich sein. Da sagen viele Ärzte, dass hier viele Personen intensivmedizinisch betreut werden, die vor Corona palliativmedizinisch betreut worden wären. Dieser Diskussion muss man sich stellen.

STANDARD: Sie finden, zu viele Menschen, die an Corona erkrankt sind, landen auf der Intensiv- statt auf der Palliativstation?

Landbauer: Nein, das habe ich nicht gesagt. Aber es gibt einen Unterschied in der Behandlung vor Corona und jetzt. Das ist keine Bewertung von mir, sondern eine Feststellung.

STANDARD: Aber Sie finden nicht, dass zu viel intensivmedizinisch behandelt wird?

Landbauer: Solange Betten frei sind, soll jeder behandelt werden, der eine Behandlung braucht.

STANDARD: Sie sagen, man müsse Risikogruppen schützen – aber wie soll das gehen, während man das Virus im Rest der Bevölkerung grassieren lässt?

Landbauer: Was nützt es denn, die Schule zuzusperren, wenn ich weiß, dass die Risikogruppen in den Alten- und Pflegeeinrichtungen liegen? Einfach das breite Land zuzusperren, das hat mit evidenzbasiertem Handeln nichts zu tun. Das dient rein der Show, um alle Maßnahmen zu rechtfertigen, die in den letzten Wochen getroffen wurden.

STANDARD: Aber wie wollen Sie die Risikogruppen konkret schützen?

Landbauer: Ganz einfach mit sinnvollen Testungen. Jene zu testen, die symptomatisch sind, und da auch jene herauszufiltern, die wirklich erkrankt sind, nicht nur positiv getestet, und vor allem jene, die Infektiös sind. Dann soll man natürlich auch jene Menschen in Quarantäne versetzen, damit sie niemanden anstecken können.

STANDARD: Das heißt, Leute in einem Pflegeheim sollen keinen Kontakt mehr mit Personen ohne negativen Test haben?

Landbauer: Da sind natürlich Regeln zu finden, dass Personen in solchen Einrichtungen auch entsprechend geschützt werden können. Ich kann mir auch vorstellen, dass Personen, die ihre Angehörigen in einem Pflegeheim besuchen wollen, vorher getestet werden. Mir ist schon auch eines wichtig zu sagen: Eine hundertprozentige Sicherheit kann es nicht geben. So tragisch das ist und so schwer es manchem Politiker fällt, das auszusprechen: Sterben gehört nun mal zum Leben dazu. Das ist auch etwas, das – ich sag's jetzt mal salopp – auch in Altersheimen öfter vorkommt. Damit müssen wir umgehen.

STANDARD: Das tangiert auch den Bereich Pflege, wo die schwierige Personalsituation durch Corona sichtbarer wurde. Österreich ist hier stark abhängig von schlecht bezahlten Frauen aus der Slowakei, Rumänien, Ungarn und Bulgarien. Wie kann man das lösen?

Landbauer: Eine unserer vielen Initiativen ist jene des Lehrberufs Pflege, damit Personen im jungen Alter – also nach der Pflichtschule – schon in die Ausbildung kommen. Und damit erst gar nicht in den Zwang kommen, eine andere Berufsausbildung zu starten. Weil wir wissen, dass man nach erfolgter Berufsausbildung nicht mehr allzu branchenübergreifend wechselt.

STANDARD: Sie wollen Jihadisten die Staatsbürgerschaft aberkennen, auch wenn sie dann staatenlos werden. Ist das nicht die klassische FPÖ-Forderung …

Landbauer: Ja!

STANDARD: … in dem Sinn, dass sie beim ersten Hören gut klingt, aber in der Realität niemandem etwas bringt?

Landbauer: Die besten Ideen sind meistens die, die beim ersten Hören schon gut klingen. Genau diesen Grundsatz verfolgen wir auch. Ganz simpel gesagt: Ist ja nicht unser Problem. Was kümmert's mich, ob ein verurteilter Terrorist staatenlos ist oder nicht?

STANDARD: Aber was bringt es Ihnen?

Landbauer: Er kann jedenfalls nicht mehr unter dem Deckmantel der österreichischen Staatsbürgerschaft agieren. Das ist vielleicht im ersten Schritt eine symbolische Wirkung, hat aber dann auch wesentliche rechtliche Auswirkungen. Ich möchte unter meinen Staatsbürgerkollegen niemanden haben, der irgendjemanden in terroristischer Absicht mit einem Sturmgewehr niedermetzeln möchte.

STANDARD: Mit der ÖVP in Niederösterreich tauschen Sie hauptsächlich Unfreundlichkeiten aus. Ist das Arbeitsübereinkommen mit der Landeshauptfraupartei überhaupt noch aufrecht?

Landbauer: Im Arbeitsübereinkommen steht meines Wissens nirgendwo, dass ich freundlich sein muss. Wenn ich Kritik äußern muss, weil in meinen Augen etwas falsch gemacht wird, dann mache ich es auch.

STANDARD: Vor einigen Wochen machte das Gerücht die Runde, dass Sie Chef der Bundespartei werden könnten. Würden Sie es gerne noch werden?

Landbauer: Die Gerüchte habe ich auch oft gehört. Wir haben einen Bundesparteiobmann, der gewählt ist, der die Unterstützung auch hat, und ich habe überhaupt kein Interesse, aus St. Pölten zu wechseln.

STANDARD: Hätten Sie das Zeug zum Bundesparteichef?

Landbauer: Jede Antwort, die ich auf diese Frage gebe, ist falsch.

STANDARD: Deswegen stelle ich sie ja.

Landbauer: Man muss auch manchmal den Mut haben, keine Antwort zu geben. (Sebastian Fellner, 25.11.2020)