Damals und heute: die (vermutliche) Erdatmosphäre vor über vier Milliarden Jahren im Vergleich mit der gegenwärtigen.
Illustration: Tobias Stierli / NCCR PlanetS

Im Lauf ihrer viereinhalb Milliarden Jahre langen Geschichte hat die Erde nacheinander mehrere verschiedene Atmosphären gehabt. Die gegenwärtige, von Sauerstoff geprägte ist je nach Zählung die dritte oder vierte und hätte sich nicht ohne die tatkräftige Unterstützung von Photosynthese betreibenden Mikroorganismen bilden können.

Zunächst aber dürfte die Erde eine äußerst kohlenstoffreiche und stickstoffarme Atmosphäre gehabt haben, berichtet ein internationales Forschungsteam im Fachmagazin "Science Advances". Die urzeitliche Gashülle hätte dem geähnelt, was man heute auf unserem Nachbarplaneten Venus vorfindet.

Feuriger Beginn

In ihren Anfangstagen war die Erde wie alle Gesteinsplaneten ein glühender Magmaball. Um die damaligen Verhältnisse zu rekonstruieren, schmolz ein Team um den Geochemiker Paolo Sossi von der ETH Zürich zunächst Mantelgestein per Laser auf. Anschließend untersuchten die Forscher, wie es sich auf die Zusammensetzung der Atmosphäre auswirkt, wenn es zu einer Abkühlung kommt und das Magma kristallisiert. In der Erdgeschichte geschah dies nach geologischen Maßstäbe ausgesprochen schnell, nämlich innerhalb von rund einer Million Jahren, wie Sossi erklärt.

Das Ergebnis des Experiments weist darauf hin, dass der Kohlendioxid-Gehalt in der seinerzeitigen Atmosphäre etwa 95 Prozent betragen haben müsste. Dadurch wäre der Atmosphärendruck etwa 100 Mal höher als heute gewesen. Auch Wasserdampf war in dieser Atmosphäre enthalten, doch anders als das CO2 kondensierte dieser und löste sich im Magma-Ozean.

Der Weg zur Lebensfreundlichkeit (und zurück?)

So sei vor über vier Milliarden Jahren eine Atmosphäre entstanden, die mit einem extremen Treibhauseffekt verbunden war – ähnlich wie ihn Astronomen auf der Venus beobachten. Auch die begann einst als Magmaball. Ob auf ihr seitdem durchgängig höllische Bedingungen geherrscht haben oder ob womöglich ihre Atmosphäre einen noch dramatischeren Wandel vollzogen hat, steht wieder auf einem anderen Blatt. Vor einem Jahr ließen US-Forscher mit der Hypothese aufhorchen, dass die Venus nach dem Inferno der Anfangszeit für zwei bis drei Milliarden Jahre lebensfreundlich gewesen sein könnte, ehe sich der heute noch beobachtbare Treibhauseffekt in Gang setzte. Unser innerer Nachbar wäre demnach auf Umwegen wieder zum Ausgangspunkt zurückgekehrt.

Dass auf der Erde lebensfreundliche Bedingungen nicht nur rasch entstehen konnten, sondern sich seitdem auch gehalten haben, ist laut den Forschern vor allem der größeren Entfernung zur Sonne zu verdanken. Dadurch verdampfte das irdische Wasser nicht, sondern konnte sich in den Ur-Ozeanen sammeln. Zum anderen "verschluckte" die junge Erde ständig Kohlendioxid: Das Gas löste sich im Meerwasser, verband sich mit Kalzium und sank auf den Boden. Die Bewegung der Platten zog das Kohlendioxid dann tief in die Erdkruste und den Erdmantel hinunter. (red, APA, 26. 11. 2020)