Wien – Nach tagelangen aufreibenden Videokonferenzen mit den Ländern zu den anstehenden Corona-Massentests im Dezember konnte Kanzler Sebastian Kurz (ÖVP) am Mittwoch nach dem Ministerrat einen ersten Durchbruch verkünden: Die ÖVP-geführten Länder Vorarlberg und Tirol werden schon am ersten Dezemberwochenende – konkret vom 4. bis 6. – breite Screenings für die Bevölkerung anbieten. Damit erfolgen diese Massentests quasi zeitgleich mit jenen für die Lehrer und das Kindergartenpersonal in ganz Österreich.

Kanzler Kurz (ÖVP), hier mit den Ministern Anschober (Grüne) und Faßmann (ÖVP), verkündete am Mittwoch den Vormarsch der Westachse in Sachen Screenings.
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Kurz begründete den Vormarsch der schwarzen Westachse auch mit dem dortigen hohen Infektionsgeschehen – nach den vielen geäußerten Bedenken der letzten Tage auch aus diesen Ländern wirkte der Kanzler aber sichtlich erleichtert, diese "sehr guten Nachrichten" überbringen zu können.

Hohe Dunkelziffer befürchtet

"Massentests sind kein Allheilmittel", hielt Kurz erneut fest, aber "eine gute Chance", um "weitere Lockdowns zu verhindern". In seinen Ausführungen stellte der Kanzler auch folgende Rechnung an: Etwa hunderttausend Menschen seien derzeit bekanntermaßen in Österreich mit dem Coronavirus infiziert, aber man gehe davon aus, dass sich weitere hunderttausend Personen unerkannt damit angesteckt haben – und diese gelte es ausfindig zu machen.

Auch das ÖVP-geführte Salzburg beginnt mit den Massentests früher als gedacht, nämlich am 12. und 13. Dezember. Am Spätnachmittag stieß auch noch das ÖVP-dominierte Oberösterreich hinzu, dort wird die Bevölkerung ebenfalls am selben Woche durchgetestet. Wenig später meldete auch noch das SPÖ-regierte Kärnten, die breiten Screenings ebenfalls am 12. und 13. Dezember durchzuführen.

Gesundheitsminister Rudolf Anschober (Grüne) erklärte nach dem Ministerrat: Im Zuge der Massentests habe das jeweilige Testergebnis freilich "nur für diesen einen Tag eine Aussagekraft". Dennoch warb Türkis-Grün offensiv dafür, sich an dem Angebot zu beteiligen. Bildungsminister Heinz Faßmann (ÖVP) rechnete vor, dass es im Zuge der Schnelltests nur 15 bis 30 Minuten bis zum Vorliegen eines Ergebnisses dauere – bei PCR-Tests warteten die Betroffenen "ein bis zwei Tage oder noch länger".

Lockerungen und Eingrenzungen

Für den Ministerrat am kommenden Mittwoch kündigte Kanzler Kurz an, dass man einen Öffnungsplan für die Zeit nach dem harten Lockdown beschließen werde – natürlich müssten bis dahin auch die Infektionszahlen im Blick behalten werden. Fix ist aber jetzt schon, dass die Schulen und der Handel – unter Einhaltung von Sicherheitsmaßnahmen – als Erstes öffnen sollen. Die Lockerungen nach dem neuerlichen Herunterfahren des öffentlichen Lebens würden "sehr, sehr behutsam und vorsichtig" erfolgen, betonte Kurz, und: "Wir werden da sicher nichts überstürzen."

Vorerst werden aber erst einmal die Ausgangsbeschränkungen in der entsprechenden Verordnung enger definiert. Die bisher nur mündlich beziehungsweise in der "rechtlichen Begründung" kommunizierte Richtlinie, wonach mehrere Personen eines Haushalts bloß eine weitere haushaltsfremde Person treffen dürfen, wird klarer festgeschrieben – als erlaubte Kontakte mit "engsten Angehörigen" gelten hiermit nur "Eltern, Kinder und Geschwister".

Zudem wurde von den Regierungsfraktionen im Parlament die Verlängerung der Ausgangsbeschränkungen bis 6. Dezember im Hauptausschuss des Nationalrats fixiert.

Wien weiterhin skeptisch

In der Bundeshauptstadt steht man den von Kurz angeordneten Massentests trotz des willigen Westens nach wie vor kritisch gegenüber. "Es kann nicht sein, dass man in einer Acht-Millionen-Einwohner-Republik Massentests verspricht und zentrale Fragen nicht beantwortet", so Wiens Gesundheitsstadtrat Peter Hacker (SPÖ).

Tatsächlich sind noch viele Details rund um die anstehenden Massentests ungeklärt, etwa wie viele Einsatzkräfte konkret dafür bereitgestellt werden – hier hat die Regierung garantiert, dass für die Abnahme von Abstrichen nur geschultes Personal infrage komme.

Türkise Rüge für Blau

Doch vor allem der Aufruf der FPÖ, die Massentests vor Weihnachten zu boykottieren, rief die Kanzlerpartei auf den Plan: "Die FPÖ nutzt die Krise ein weiteres Mal dafür aus, in völlig verantwortungsloser Manier Angst zu schüren", wetterte ÖVP-Vizegeneralsekretärin Gaby Schwarz in Richtung der blauen Vizeklubchefin Dagmar Belakowitsch, die am Vormittag Stimmung gegen die breiten Screenings gemacht hatte.

Und noch eine Neuigkeit gab es: Die Polizei, die am 7. und 8. Dezember getestet wird, organisiert sich ihr Screening selbst.

Enormer logistischer Aufwand

Tirols Landeshauptmann Günther Platter (ÖVP) bezeichnete den Zeitpunkt für die vorgezogenen Massentests als "ideal". Man mache die Antigentests früher, um diese noch in der Lockdown-Phase abzuschließen und nicht unmittelbar vor Weihnachten durchführen zu müssen, erklärte er, und: "Damit ersparen wir positiv Getesteten, über die Weihnachtsfeiertage in Quarantäne zu müssen." Sein Amtskollege in Oberösterreich, Thomas Stelzer (ebenfalls ÖVP), bezeichnete die Massentests als "größten organisatorischen Kraftakt in der Geschichte des Landes". Aber aufgrund der sehr engen Zusammenarbeit aller Partner sei man überzeugt, dass es gemeinsam machbar sei.

Pilotdurchgang in Annaberg-Lungötz

Ein Pilotdurchgang für die Massentestserie stellt jedenfalls die 2.200-Einwohner-Gemeinde Annaberg-Lungötz im Tennengau dar. Sie ist aufgrund einer aktuell äußerst hohen Sieben-Tage-Inzidenz schon am 1. und 2. Dezember dran. In der Gemeinde gab es in den vergangenen sieben Tagen laut Land 47 Neuinfektionen, derzeit sind 60 Bewohner aktiv infiziert. Die positiv getesteten Gemeindebürger sollen am selben Abend noch einmal mit einem PCR-Test getestet werden.

Der Bürgermeister von Annaberg-Lungötz, Martin Promok (SPÖ), appellierte am Mittwoch an die Gemeindebürger, möglichst zahlreich an den Schnelltests teilzunehmen. Für die Abstriche können sich alle Personen ab dem vollendeten zehnten Lebensjahr anmelden – auf Wunsch der Eltern auch jüngere Kinder. Ein Testteam wird laut Informationen des Landes aus 14 Mitgliedern bestehen, drei davon sind medizinisch geschulte Personen für die Abstriche. Zum Auftakt jedes Testtags werden auch die Screeningteams selbst getestet.

80 Teststationen in Vorarlberg

In Vorarlberg steht schon ein äußerst detaillierter Plan: Dort sollen im ganzen Land 80 Teststationen eingerichtet werden, die jeweils bis zu 1.000 Tests pro Tag durchführen. Sie werden jeweils ein Einzugsgebiet von 5.000 Personen abdecken und beispielsweise in Turnhallen oder Volksschulen stattfinden. Je Standort stellt das Rote Kreuz acht Mitarbeiter für die Testungen, acht Feuerwehrleute unterstützen mit Ordnungsdiensten, und vier Gemeindebedienstete werden für Organisatorisches bereitgestellt. Die Teststationen werden vom Bundesheer ausgerüstet und sollen von 7 bis 17 Uhr geöffnet sein.

Vorarlberger können sich ab dem 30. November telefonisch und online zur Testung anmelden. Testresultate sollen dann innerhalb einer Stunde via SMS übermittelt werden. Fällt der Test positiv aus, muss zur Bestätigung verpflichtend ein PCR-Test gemacht werden. Betroffene können noch am selben Tag (nach 17 Uhr) in "ihre" Teststation zur PCR-Testung kommen. (Nina Weißensteiner, red, 25.11.2020)