42 Prozent – auf diesen Wert schnellte im April 2020 der Anteil der Österreicher im Homeoffice hinauf. Davor waren es rund 23 Prozent.

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Plötzlich ging es ganz schnell. Zugänge wurden verteilt, die vorhandenen Notebooks ebenso, und schon waren wir alle daheim im Homeoffice. Also jene Menschen, deren Job von daheim aus möglich ist. Was seit Jahren mit Skepsis betrachtet wurde, wurde über Nacht durch den ersten Corona-Lockdown zur Realität. Und diese hat gezeigt: Es funktioniert.

Anfangs hieß es – salopp formuliert –, den Laden am Laufen zu halten. Man dachte, in ein paar Wochen sei die Pandemie vorbei und der tägliche Weg ins Büro wieder Normalität. Das ist rund neun Monate her. Und mittlerweile zeigt sich, dass die Verlagerung des Jobs in die eigenen vier Wände Vor- und Nachteile hat.

Den täglichen Weg in die Arbeit sparen wird von vielen Menschen als Erleichterung empfunden. Vor allem von jenen, die pendeln müssen. Nicht in überfüllte Öffis steigen zu müssen wird auch oft als Steigerung der eigenen Sicherheit empfunden.

Doch der persönliche und kreative Austausch mit den Kollegen fehlt. Auch die kleinen Gespräche bei der Kaffeemaschine oder ein gemeinsames Mittagessen. Trotz Videokonferenzen entstehen Lücken. Privatleben und Job vermischen sich indes immer mehr. Wäsche aufhängen und kochen während des Meetings – das geht und wird neue Normalität.

Dass Jobs auch nach Corona – zumindest teilweise – von zu Hause aus erledigt werden, ist kein Tabu mehr. Im Gegenteil: Vielerorts wird bereits darüber nachgedacht, Büroflächen zu reduzieren, weil sich gezeigt hat, dass nicht jeder Mitarbeiter jeden Tag im Büro sein muss, um seine Arbeit gut zu erledigen.

Schöne neue Arbeitswelt

Diese neue Arbeitswelt ist laut Sören Buschmann wohl das neue Normal, "denn in der Geschichte der Menschheit hat sich dieselbe noch nie freiwillig zurückentwickelt", sagt der Experte für HR-Consulting und Organisationsentwicklung beim Wirtschaftsprüfer und Steuerberater BDO. Die vom physischen Arbeitsplatz entkoppelte Arbeit werde in irgendeiner Form bleiben. Das bringt grundlegende Veränderungen mit sich.

Die Arbeitsorganisation ist in den meisten Unternehmen hierarchisch. Der Chef denkt, die Mitarbeiter führen aus. In der neuen dezentralen Arbeitsstruktur ist diese Rolle nur noch schwer ausführbar.

"In der Praxis führt das zur aktuell gut beobachtbaren Abstimmungsdichte, die mancherorts das Gefühl vermittelt, das Tagesgeschäft wäre von unzähligen kleinteiligen Video- und Telefonkonferenzen dominiert und die eigentliche Wertschöpfung würde vernachlässigt", sagt Buschmann. Führungskräfte müssten daher lernen, mehr Fokus auf die Delegation von Verantwortlichkeiten zu setzen.

Kernaufgabe des Managements wird folglich immer mehr die Planung von Ressourcen werden. Immer wichtiger werden laut Buschmann das emotionale Abholen, Einbinden und Aktivieren von Mitarbeitern in der dislozierten Arbeitsstruktur.

Führungskräfte müssen es schaffen, das Wirgefühl zu stärken, die soziale Bindung der Kollegenschaft nicht zu verlieren und die Aktivierung von Talenten und Teamleistungsdynamik herzustellen. Dann bleiben Mitarbeiter im Homeoffice motivierte und leistungsfähige Teammitglieder. (Bettina Pfluger, Magazin "Portfolio", 18.12.2020)