1,5 Milliarden internationale Reisen sind im Vorjahr unternommen worden, so viele wie nie. Heuer werden es deutlich weniger sein.

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Nichts geht mehr. Wer Urlaub machen will in Zeiten wie diesen, ist zurückgeworfen auf die eigenen vier Wände. Reisewarnungen da, geschlossene Grenzen dort, Flug- und Reiseangebote auf Sparflamme allüberall. Weder Handelskonflikten noch Naturkatastrophen und auch nicht Anschlägen à la 9/11 haben den Tourismus global so stark gebremst wie das Coronavirus.

Weil Reisen aber ein Grundbedürfnis der Menschen ist und bleibt, sagen Beobachter für die unmittelbare Zeit nach der Pandemie einen starken Nachzieheffekt vorher. Für die Jahre danach geht man jedoch von einem sich zunehmend verändernden Reise- und Urlaubsverhalten aus. Und das kommt so.

"Corona ist wie ein Katalysator", sagt Anja Kirig vom Zukunftsinstitut in Frankfurt. "Trends, die bereits vor der Virusinvasion erkennbar waren, beschleunigen sich und treten jetzt stärker hervor." Dazu gehöre, dass die Menschen genug vom Oberflächlichen hätten und sich nach mehr Tiefgang sehnten, nach starken Erlebnissen auch im Urlaub. Erlebnisse, die sich lange einprägen und einen echten Mehrwert bringen. "Reisen und Unterwegssein werden immer mehr zu einem Teil der Entwicklungsbiografie", sagt Kirig. Sie spricht von Resonanztourismus, dessen Zeit nun anbreche.

Er tritt gewissermaßen an die Stelle des Massentourismus, der dank Diskontairlines und vieler Billigtickets auch von arrivierten Fluggesellschaften die Zeit nach der Jahrtausendwende geprägt hat. Die Ära des raschen und billigen Verreisens nach dem Motto "Egal wohin, Hauptsache weit weg" scheint vorbei zu sein, noch bevor strenge und, das heißt in der Regel auch, teure Umweltauflagen zur Eindämmung der Erderhitzung auf den Weg gebracht werden.

Zunächst gehe es aber darum, das angeknackte Vertrauensverhältnis zwischen Reiseanbietern und Reisenden zu kitten und die große Verunsicherung, die es wegen Corona gibt, zu beseitigen. Ein Gebot der Stunde heiße deshalb Transparenz, sagt Kirig.

Garantien und Sicherheiten

Künftig werde die Wahl von Reisezielen und Verkehrsmitteln auch davon abhängen, welche Garantien und Sicherheiten Anbieter gewährleisten, meint die Trendforscherin. Kasernierte Gäste in Hotels, Todesfälle auf Kreuzfahrtschiffen und Gäste, die im Ausland gestrandet sind, hätten nicht nur bei den unmittelbar Betroffenen Spuren hinterlassen. Von diesem Umstand könnte nun in erster Linie der regionale Tourismus profitieren. Kurze Wege und Naherholung vermittelten ein Gefühl der Sicherheit, sagt Kirig – ebenso wie vertraute Kulturkreise emotionale Festigkeit versprechen würden.

Doch auch überregionale Destinationen hätten gute Chancen, sich zu erholen, sofern sie hohe Standards garantieren könnten. Damit gemeint sind in erster Linie zuverlässige Bedingungen hinsichtlich Gesundheitsversorgung, die mit und durch Corona einen ganz neuen Stellenwert erlangt hat – sowie der Transport.

Gerade was Transportmittel betrifft, kündigt sich ein weiterer Trend megamäßig an: der zu erdgebundenen Reisen. Einige der Flugzeuge, die Corona-bedingt in die Wüste geschickt wurden, werden dort wohl längere Zeit bleiben. (Günther Strobl, Magazin "Portfolio", 25.12.2020)