"Der Goldpreis wird über ein Derivat gemacht, der Future ist größer als der physische Markt. Hier wird es zu einer Entkoppelung kommen." Rudolf Brenner

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STANDARD: Viele Anleger entdecken gerade Sachwerte wie Gold als Investment. Ihr Bezug zu Sachwerten wurde frühkindlich geprägt ...

Rudolf Brenner: Genau. Ich bin gebürtiger Ostdeutscher, kam zwar im Babyalter nach Wien. Aber ein Teil der Familie lebte in Ostdeutschland. Dort war Gold der ultimative Vermögenswert. Die DDR war wirtschaftlich marod, die Inflation hoch. Die Leute haben nach stabilen Wertaufbewahrungsmitteln gesucht. Jeder wollte Westmark haben und Gold. Das hat mich geprägt und auch in meiner späteren Karriere begleitet.

STANDARD: Wie war dieser Drang nach Westmark und Gold für Sie wahrnehmbar?

Brenner: Wenn man aus dem Westen kam, wurde man immer darauf angesprochen, ob es eine Möglichkeit gibt, an Westmark oder Gold heranzukommen. So war das Thema für mich präsent und spürbar. Auch bei Grundstücksverkäufen waren dem Verkäufer Golddukaten oft lieber, als wenn mit Ostmark bezahlt wurde. Man konnte Dinge beschleunigen, wenn man wusste, dass jemand Westmark oder Gold hatte. Beim Autokauf etwa: Wollte man ein Auto kaufen, musste man bis zu zehn Jahre darauf warten. Konnte man in Westmark oder Gold zahlen, hatte man sein Auto innerhalb von einem Jahr. Die Ostmark war eine kaputte Währung, daher suchten die Leute eine Alternative.

STANDARD: Würden Sie sagen, dass der Euro auch eine kaputte Währung ist?

Brenner: Der Euro wird sukzessive ausgehöhlt. Jede Währung, die massiv ausgeweitet wird und bei der es keine Begrenzungsgröße gibt, ist in Gefahr. Das haben uns Argentinien und schon die alten Römer gezeigt. Es gibt kein Beispiel dafür, wo eine Umkehrung geglückt ist, wenn es keine Begrenzungsgröße gibt. Wir nehmen uns das Geld, das wir in der Zukunft verwenden müssten, für Investments in die Infrastruktur oder zur Erhaltung des Sozialsystems. Insofern sehe ich für den Euro als stabile Währung eine große Gefahr. Die Idee, die hinter dem Euro gesteckt ist, dass er ein Goldäquivalent und mit den Konvergenzkriterien abgesichert ist – das wurde ausgehöhlt. Aber: Wir sitzen alle in einem Boot, die Suppe müssen wir gemeinsam auslöffeln. Wenn es einen Währungsschnitt geben sollte, dann wird man sehen, wie belastbar die Eurozone ist.

Laut Brenner ist der Euro in Gefahr. Denn: "Jede Währung, die massiv ausgeweitet wird und bei der es keine Begrenzungsgröße gibt, ist in Gefahr."
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STANDARD: Noch einmal zurück in die DDR. Gold konnte man dort also nicht einfach kaufen. Ging verkaufen leichter, oder passierte da viel unter der Hand?

Brenner: Kaufen konnte man Gold nur schwer. Verkaufen konnte man es aber immer. Man hat beim Tausch sogar den Westmark-Wert bekommen. Es gab offizielle Goldankaufsstellen, das ist aber alles in den Staatsbesitz gewandert.

STANDARD: Der Glaube ans Gold hat Sie nie verlassen, auch wenn andere darüber gelacht haben ...

Brenner: Absolut, meiner Passion bin ich treu geblieben. Das Thema Gold ist für die breite Masse mal interessanter, mal weniger. Im jetzigen Umfeld mit Null- und Negativzinsen und der Vertrauenskrise ist Gold gefragt. Auch der Optimismus schwindet, daher steigt das Besitzdenken. Gold kann nicht enteignet und nicht mit einer Negativrendite behaftet werden.

STANDARD: Enteignet vielleicht nicht, aber Gold könnte konfisziert werden ...

Brenner: Es stimmt, dass sich viele Investoren Sorgen machen, dass im Falle eines Haircuts wie in Zypern ein Teil vom Gold geholt wird.

STANDARD: Weil Gold ja deklarationspflichtig ist. Schreckt das Investoren nicht auch ab?

Brenner: Überhaupt nicht. In Deutschland wurde die Bargeldschwelle auf 2000 Euro herabgesetzt. In Österreich liegt sie bei 10.000 Euro. Wer Gold für mehr als 10.000 Euro kaufen will, muss sich deklarieren. Das schreckt die Leute aber nicht im Geringsten ab.

STANDARD: Macht es einen Unterschied, ob ich Gold in Form von Schmuck daheim horte oder in Form von Münzen oder Barren?

Brenner: Münzen und Barren sind das liquidere Investment und die bessere Form für Anleger. Beim Schmuck werden oft Legierungen verwendet, weil dieser sonst zu weich wäre und rasch zerkratzen würde. Beim Anlagegold habe ich 99,99 Prozent Feingold. In Indien oder Dubai ist der Goldschmuck anders, der hat einen anderen Feinheitsgrad. In der westlichen Welt sind Barren und Münzen das bessere Investment.

STANDARD: Was gilt es beim Kauf zu beachten?

Brenner: Besser ist es, schrittweise einzusteigen. So kann man verschiedene Ankaufskurse mischen. Ich empfehle, immer die größtmögliche Einheit zu kaufen. Hat man 5000 Euro zur Verfügung, dann würde ich einen Barren kaufen, der dieser Grenze am nächsten kommt, plus ein paar kleinere Einheiten, die dann als Erstes verkauft werden, wenn es sein muss. Dafür eignen sich etwa auch die Kombibarren. Ich glaube nicht, dass wir nochmal eine Zeit erleben werden, wo man wie nach dem Krieg mit Goldplättchen beim Bäcker zahlt. Das war auch in der DDR nicht so. Währungen verfallen, aber Gold bleibt stabil. Einen Teil seines Vermögens sollte man in Gold konvertieren. Meine Regel lautet: Sachwerte (Immobilien, Edelmetall), Aktien, Liquidität. Eine gute Mischung aus diesen Bausteinen schafft ein Allwetter-Investment.

STANDARD: Wie lagere ich Gold am besten?

Brenner: Da Gold der ultimative Besitz ist, sollte man diesen auch schützen. Man kann es daheim in den Tresor geben, dort habe ich auch den schnellen Zugriff. Man kann es auch bei Banken in Schließfächer geben. Auch wir bei Philoro bieten unseren Kunden eine sachgerechte Verwahrung an. Optimal ist es, wenn man einen größeren Teil extern verwahrt und daheim etwas Gold hat für den schnellen Zugriff.

STANDARD: Gibt es eine Formel, wie viel Gold jeder im Verhältnis zu seinem sonstigen Besitz, Einkommen haben sollte?

Brenner: Ich empfehle immer, rund zehn Prozent seines Vermögens in physischem Gold zu haben. Aktuell kann man sich sicher eine Quote von bis zu 20 Prozent überlegen.

STANDARD: Gold ist ja nicht in unerschöpflicher Menge vorhanden. Droht eine Knappheit? Die Nachfrage steigt ja unaufhörlich.

Brenner: Das Angebot an Gold als physisches Edelmetall ist ausreichend. Das einzige Nadelöhr ist, wenn es Produktionsunterbrechungen gibt, wie etwa im Tessin im ersten Lockdown. Die Verfügbarkeit ist gut, die Minen haben ihre Aktivitäten hochgefahren. Sollte es eine Angebotslücke geben, wird der Preis weiter steigen.

Wer Gold will, bekommt es auch. Ein Engpass ist laut Brenner nicht vorhanden.
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STANDARD: Die Österreicher haben in den vergangenen zehn Jahren rund 700 Tonnen Gold gekauft. Das ist mehr als das Doppelte der Goldreserve der Republik von 280 Tonnen ...

Brenner: Ja, die Republik hat ja bedauerlicherweise in den vergangenen Jahrzehnten die Hälfte ihres Goldschatzes verkauft. Die Türkei oder auch Russland haben zuletzt tonnenweise Gold gekauft. In Österreich würde niemand traurig darüber sein, wenn man die Reserven wieder erhöhen würde. Die Frage ist, was es für ein politisches Statement wäre, jetzt Gold zuzukaufen – in einer Zeit, wo es Konjunkturpakete braucht.

STANDARD: Warum sind denn Österreichs Goldreserven in den vergangenen Jahrzehnten so deutlich gesunken? 634 Tonnen waren es noch im Jahr 1970, 2000 dann nur noch 377 Tonnen – aktuell sind es 280 Tonnen.

Brenner: Weil in den 1970er-Jahren der US-Dollar noch der sicherere Hafen war und man in eine Währung investieren wollte, hinter der eine große Volkswirtschaft steht. In den 1970er-Jahren waren noch 50 Prozent der Staatsschulden in Österreich in Gold gedeckt, jetzt sind es nur noch drei Prozent. Das ist keine positive Entwicklung.

STANDARD: Sollte man innerhalb der Anlageklasse Gold auch mixen? Also einen Teil physisch, einen als ETF oder als Fonds?

Brenner: Dem Privatinvestor würde ich nur Gold als Barren oder Münzen empfehlen und keine Derivate oder andere Strukturen. JPMorgan bekam erst Ende September eine Rekordstrafe von 920 Millionen Dollar, weil der Goldpreis manipuliert wurde. Es wurde versucht, mit Scheinorders den Preis zu treiben.

STANDARD: Wenn ich Gold rasch verkaufen muss. Wo mache ich das am besten?

Brenner: Am besten ist es, im Internet seriöse Angebote zu vergleichen, wer aktuell die besten Preise bezahlt. Die Edelmetallhändler zahlen in der Regel etwas mehr als die Banken. Ein Vergleich kann also lohnen. Man sollte nicht den einfachsten und bequemsten Weg gehen und den erstbesten Käufer nehmen.

STANDARD: Gold hat heuer einen Rekord hingelegt und die Marke von 2000 Dollar gerissen. Wie weit wird Gold noch steigen?

Brenner: Der Goldpreis wird über ein Derivat gemacht, der Future ist größer als der physische Markt. Hier wird es zu einer Entkoppelung kommen. Ich glaube, wir sind in der ersten Phase eines Gold-Bullenmarkts. Solange Rettungspakete in Aussicht stehen und Inflationsangst damit einhergeht, wird das den Goldpreis beflügeln. Über die nächsten Jahre erwarte ich mir daher eine positive Entwicklung. (Bettina Pfluger, Magazin "Portfolio", 26.12.2020)