
Die Karenz bringt auch organisatorische Herausforderungen: Ist der Antrag auf Kinderbetreuungsgeld einmal ausgefüllt, heißt es für viele Eltern: Warten. Mitunter monatelang.
Zwischen Plan und Wirklichkeit liegen oft Welten – das ist auch in der Politik, konkret beim Kinderbetreuungsgeld, der Fall. Der Rechnungshof (RH) kritisiert im aktuellen Bericht, dass Antragsteller darauf mitunter noch immer viel zu lange warten müssen. Im zuständigen Ministerium für Familie, Arbeit und Jugend gehe man von einer durchschnittlichen Erledigungsdauer von 28 Tagen und keinen Wartezeiten beziehungsweise Auszahlungslücken zwischen Wochen- und Kinderbetreuungsgeld aus. In den vom Rechnungshof risikoorientiert untersuchten Beispielfällen lag die durchschnittliche Erledigungsdauer jedoch bei 45 Tagen im Inland und bei grenzüberschreitenden Fällen sogar bei 211 Tagen.
Karenz ohne Geld
Ein solcher Wartender ist ein 31-jähriger Wiener Vater. Ab September war er für drei Monate in Karenz, Mitte August beantragte er bei der Gesundheitskasse das Kinderbetreuungsgeld. "Mein Antrag wurde noch nicht einmal bearbeitet", sagt er. Bei der Hotline für Fragen zum Kinderbetreuungsgeld habe man ihm gegenüber von einem "Rückstau" gesprochen. "Ich habe Erspartes und kann es mir leisten, drei Monate lang kein Einkommen zu haben. Ich frage mich aber, was Leute machen, die nicht so gut verdienen. Versichert ist man ja ohne den Bezug auch nicht."
Bei der Gesundheitskasse liegen keine Daten zur durchschnittlichen Wartezeit vor. Wie lange es dauert, "ist nicht pauschal zu sagen. Wird ein Antrag vollständig eingebracht, ist die Bearbeitungsdauer natürlich kürzer", sagt Pressesprecherin Marie-Theres Egyed. Auch wie viele Antragssteller so lange warten, dass sie zum Karenzantritt noch kein Geld bekommen, ist nicht klar. Prinzipiell wird das Kinderbetreuungsgeld immer rückwirkend, spätestens am 10. des Folgemonats, ausgezahlt. "Der Hauptgrund für längere Wartezeiten sind unvollständige Anträge. Auch wenn ein Elternteil einen Auslandsbezug hat, kann sich die Bearbeitung verzögern, weil dazu Informationen von ausländischen Behörden angefordert werden müssen", sagt Egyed über die Gründe.
Kein neues Problem
Auch beim Wiener Vater hatte ein Dokument für den Antrag gefehlt, dieses habe er aber noch vor September eingereicht. "Mir wurde telefonisch auch bestätigt, dass mein Antrag vollständig ist und ich nur abwarten muss." Bei der Gesundheitskasse heißt es zu dem Fall: "Hier kam es bedauerlicherweise zu Verzögerungen, die zunächst durch ein fehlendes Dokument ausgelöst wurden. Jedoch haben sich dann Unklarheiten bei der Berechnung ergeben, die intern überprüft werden mussten." Mittlerweile sei das alles abgeschlossen und die Auszahlung erfolgt – laut eigenen Angaben am Dienstag, einen Tag bevor DER STANDARD die Gesundheitskasse mit dem konkreten Fall konfrontierte.
Die mitunter langen Wartezeiten sind kein neues Problem. Der Rechnungshof kritisierte sie bereits 2017, in dem Jahr wandte sich auch die damalige Familienministerin Sophie Karmasin (ÖVP) in einem offenen Brief an die Wiener Gebietskrankenkassa (WGKK). Diese sprach von 8.000 bis 10.000 offenen Fällen, in der WGKK bestritt man das vehement, räumte aber Personalprobleme ein. Außerdem sorgte damals die Umstellung des Systems auf das "Kindergeld-Konto" für Schwierigkeiten und Mehrarbeit.
Was getan werden sollte
Angesprochen auf das fehlende Einkommen und die versicherungslose Zeit, heißt es von der Gesundheitskasse, dass man stets darum bemüht sei, "die Fälle so rasch wie möglich zu bearbeiten und individuell auf die Antragssteller einzugehen, um Härtefälle zu vermeiden".
Der Rechnungshof empfiehlt den Versicherungsträgern jedenfalls, Maßnahmen für eine Verkürzung zu setzen. Aber auch das Ministerium wird in die Pflicht genommen: Dort sollen entsprechende Controlling-Kennzahlen in regelmäßigen Abständen erhoben und analysiert werden.
Der Wiener Vater beginnt am Dienstag wieder zu arbeiten. "Ich freue mich, wenn endlich wieder mal Geld am Konto landet." Das Kinderbetreuungsgeld sei bei ihm nämlich noch nicht angekommen. (Lara Hagen, 26.11.2020)