Ein Weizenfeld mag wie ein Symbol der Gleichförmigkeit wirken. Tatsächlich birgt die Pflanze aber eine gewaltige Vielfalt.
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Im Jahr 2018 sequenzierten Forscher erstmals das Genom einer Weizenvariante, und zwar dasjenige einer alten chinesischen Landsorte. 13 Jahre hatte das Team damals für die weltweit mit Spannung erwartete Entschlüsselung gebraucht. Und doch war es kaum mehr als ein Tropfen auf den heißen Stein, wie eine aktuelle Studie im Fachmagazin "Nature" illustriert, für die eine Hundertschaft an Wissenschaftern im Einsatz war.

Denn seit die Nutzpflanze vor 8.000 Jahren erstmals angebaut wurde, gibt es Weizen nicht nur in einer Reihe verschiedener Arten und Unterarten. Von diesem Fundament aus hat er sich auch in eine kaum noch erfassbare Zahl von Varianten weiterentwickelt, die zu verschiedenen Zeiten und in verschiedenen Weltregionen angebaut wurden und werden. Und generell ist die Entschlüsselung von Weizengenomen eine Herkulesaufgabe: Mit rund 100.000 Genen auf 21 Chromosomen sind sie jeweils etwa fünfmal größer als das menschliche Erbgut.

Repräsentative Auswahl

In einem Mammutprojekt hat nun eine Forschungsgruppe das Erbgut von 16 möglichst weit voneinander entfernten Weizensorten aus vier Kontinenten entschlüsselt. Trotz dieser vergleichsweise geringen Zahl ist die Auswahl laut den Forschern repräsentativ für einen bedeutenden Teil der weltweiten Weizenvielfalt.

"Wir konnten zahlreiche Unterschiede in der Genom-Struktur der untersuchten Weizensorten finden", sagte Thomas Wicker von der Uni Zürich (UZH). "Sie unterscheiden sich insbesondere durch große Chromosomen-Fragmente, die irgendwann in der Vergangenheit aus Wildgräsern eingekreuzt wurden."

Hohe Anpassungsfähigkeit

Exemplarisch seien die großen Unterschiede in Art und Anzahl der Immunrezeptoren, die die Forscher in den Genomsequenzen entdeckten. "Diese Variabilität zeigt, dass sich die verschiedenen Sorten an regional unterschiedliche Pflanzenkrankheiten wie Viren und Pilze oder Schädlinge wie Insekten angepasst haben", so Wicker.

Der dreifache Chromosomensatz des Weizens verleihe ihm einen weiteren evolutionären Vorteil: "Einzelne Gene können sich verändern, während andere Kopien derselben Gene ihre ursprüngliche Funktion behalten. Die Pflanze hat somit ein größeres Repertoire an Möglichkeiten und ist anpassungsfähiger", sagte der UZH-Professor Kentaro Shimizu.

Die neuen Erkenntnisse über diese Anpassungsfähigkeit könnten auch bei der Zucht noch ertragreicherer oder gegenüber Umwelteinflüssen resistenterer Sorten helfen. Weizen ist immerhin für mehr ein Fünftel der weltweiten Kalorienproduktion verantwortlich. Und bis zur Jahrhundertmitte müsste die Produktion laut den Forschern um mehr als die Hälfte gesteigert werden, um den wachsenden Bedarf zu decken. (red, APA, 29. 11. 2020)