"Schau auf dich, schau auf mich": Corona-Kampagne 2020.

Foto: standard, pramer

Regierungswerbung für 180 Millionen Euro, dazu 30 für Kreativleistungen von Agenturen. Zwei Ausschreibungen der Bundesbeschaffungsagentur stellen gewaltige Beträge in Aussicht – und sorgen für einigen Unmut beim Wahlvolk wie in der Opposition und für Staunen auch in der Werbewelt.

Österreichs werbestärkste Unternehmensgruppe Rewe mit Marken wie Billa, Bipa, Merkur, Ja! Natürlich entwickelt laut Focus Marketing Research pro Jahr einen Bruttowerbedruck von 180 Millionen. XXXLutz und Spar sehen die Werbebeobachter bei rund 160 Millionen brutto.

Rewe-Dimensionen

Rund 180 Millionen Euro geben öffentliche Stellen wie Ministerien und Länder und öffentliche Firmen wie die ÖBB oder Wien Energie pro Jahr für Werbung aus. So viel jedenfalls melden sie der Medienbehörde, real sind es wegen Ausnahmen noch viele Millionen mehr. Die Bundesministerien meldeten 2019 Werbebuchungen von 19,3 Millionen Euro. Nun geht es um 180.

Die 180 Millionen sind als Maximalwert über vier Jahre ausgeschrieben, wie DER STANDARD berichtete. Ausgeschrieben ist eine Rahmenvereinbarung mit Agenturen, wie sie auch große Wirtschaftsunternehmen abschließen. Die Konditionen sind damit geklärt, um Kampagnen etwa für neue Automodelle treten mehrere Agenturen mit solchen Rahmenverträgen an.

Die 30 Millionen Maximalvolumen für Kreativleistungen inkludieren alle Agenturleistungen einschließlich etwa Produktion, betonen Branchenkenner im Gespräch mit dem STANDARD. Sie schätzen das eigentliche Agenturhonorar auf drei bis fünf Millionen über vier Jahre. Größere Wirtschaftskunden würde das ausgeschriebene Volumen nicht beeindrucken.

Notausschreibungen

Die Beschaffungsagentur sucht drei Bestbieter – in der Spielklasse bewegen sich in der klassischen Werbung Agenturen wie Jung von Matt und Demner, Wien Nord Serviceplan, GGK. Wenn Anlass und Ziel stimmen, das die Regierung zur Ausschreibung kommunizierte: Für eine so rasche, große Kampagne wie "Schau auf dich, schau auf mich" zur Corona-Info musste die Regierung auf das Rote Kreuz zurückgreifen (mit Jung von Matt und Campaigning Bureau, gebucht von Wavemaker). Erst später gab es Notausschreibungen dazu. Das Kanzleramt argumentiert nun etwa mit Impfkampagnen 2021.

Das Maximalvolumen lässt sich aus dem Pandemiejahr 2020 ableiten: 20 bis 25 Millionen für "Schau auf dich" (ohne ORF, der gratis schaltete). Dazu regulär 20 Millionen Regierungswerbung. Ergibt 45 Millionen, mal vier: 180.

45 Millionen Euro sind aber mehr als das Doppelte der Regierungswerbung in Normaljahren vor 2020. Sie müssten nicht ausgeschrieben werden, das Geld müsste sich dann allerdings noch im Budget finden.

"Einer Demokratie unwürdig"

Zentrale Verwaltung des Regierungswerbebudgets – etwa nach deutschem Vorbild durch eine Mediaagentur – forderten schon Neos wie Grüne als Oppositionspartei. Einen transparenten "Budgetplan" verlangte 2019 auch die FPÖ. Grünen-Parteichef Werner Kogler, inzwischen Vizekanzler in der Koalition mit der ÖVP, fand damals "eine intransparenten Medienförderung, in dem ein Vielfaches an Mitteln über Inserate verteilt wird, einer entwickelten Demokratie unwürdig". Sie ermögliche "Regierungsparteien, Druck auszuüben". Förderungen und Inserate seien neu zu ordnen, um "qualitätvollen, unabhängigen Journalismus" zu sichern. Wie etwa die Neos forderten die Grünen Medienförderung nach solchen Kriterien statt Inseraten.

Die größten Regierungsbuchungen gehen bisher an drei Massenblätter mit Schwerpunkt Ostösterreich: "Krone", "Österreich/Oe24", "Heute". Professionelle Mediaplanung, die etwa flächendeckend erreichen will und preislich optimiert, würde freiwillig eher nicht so buchen. Das letzte Wort freilich hat auch da der Auftraggeber mit seinem Fokus.

"Professionalisierung" statt bisher freihändige Vergabe

Der Zeitungsverband VÖZ begrüßte die "Professionalisierung" statt bisher freihändiger Vergaben.

Der Presseclub Concordia äußerte sich auf Twitter differenziert kritisch.

Der Blogger Alexander Wacker hingegen schreibt von einem "türkis-grünen Vergabemonster".

Grünen-Mediensprecherin Eva Bliminger zeigt sich auf STANDARD-Anfrage überrascht von den Reaktionen auf die Ausschreibung der Bundesbeschaffungsagentur: "Ehrlicherweise bin ich über die Aufregung ein bisschen verwundert, klar über Summen kann man immer diskutieren. Aber nun wird ausgeschrieben werden – was bis dato selten geschehen ist – und Agenturen mit Informationskampagnen beauftragt. Wenn ich an die vielen Kampagnen früherer Regierungen denke, die immer knapp unter den 100.000 waren, somit nicht ausschreibungspflichtig, bin ich froh über diese Vorgangsweise." (Harald Fidler, 25.11.2020)