Der Nikolo.

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Wer den Prototyp des wahren Weltbürgers sucht, kommt um den heiligen Nikolaus nicht herum. Als Bischof von Myra lebte er um das Jahr 300 in Lykien in der heutigen Südwesttürkei, wo er an einem 6. Dezember starb und später für seine Freigiebigkeit und zahlreiche Wunder berühmt wurde. Seine erste große Reise unternahm er fast 800 Jahre später, als italienische Kaufleute seine leiblichen Überreste aus dem Grabmal in der Kirche von Myra, dem heutigen Demre, kurz vor der Eroberung durch die Seldschuken raubten und nach Bari brachten. Dort werden die Reliquien bis heute in der Basilika San Nicola aufbewahrt und jedes Jahr in einer Prozession durch die Stadt geführt.

Besonders heimisch fühlt sich Nikolaus in Russland und Serbien, denn in den orthodoxen Kirchen wird er besonders intensiv verehrt. Über Italien wanderte der Kult um den Nikolaus allmählich nach Nordeuropa, wo dessen Todestag zum Anlass für kleine Geschenke an Kinder genommen wurde. Dort mutierte er im Lauf der Jahrhunderte zum Weihnachtsmann, der erst am Heiligen Abend auf seine Gabentour geht. In katholischen Regionen wurde ihm diese Last zunehmend vom Christkind abgenommen. Dafür blieb Nikolo aber in den Kinderstuben die größte Attraktion der Adventzeit – zumindest für die braven Buben und Mädchen. Lange Zeit musste sich der Kleriker die Show mit dem Krampus oder – je nach Land und Tradition – anderen satanischen Begleitern teilen, doch dank der modernen Pädagogik ist er nun meist wieder solo mit seinen Orangen, Erdnüssen und Bonbons.

Zwischen Nordpol und Atlanta

Über niederländische Auswanderer kam Nikolaus nach Nordamerika, wo er als Santa Claus gründlich säkularisiert sowie mit Schlitten und Rentieren ausgestattet wurde. Seine offizielle Adresse mag der Nordpol sein, aber sein echtes Zuhause ist Atlanta. Dort verpasste ihm der Coca-Cola-Konzern 1931 für die Werbung ein neues Aussehen, das sich dann via Hollywood über die ganze Welt ausbreitete.

In heimischen Kindergärten, ertönt es aus volksnahen Parteien, sei der Nikolo von linkslinken Gutmenschen bedroht, die ihn als Zumutung für andersgläubige Kinder sähen. Doch so leicht lässt sich der gute Bischof nicht hinausdrängen. Selbst das Coronavirus kann ihn nicht stoppen – an der Türschwelle darf er auch heuer reihenweise die Kids erfreuen. Und wer seine Kinder diesem Risiko nicht aussetzen will, der hat in jedem Supermarkt eine Auswahl an Schoko-Nikolos jeder Größe und Preisklasse. (Eric Frey, 25.11.2020)