Am 11. August 2019 war das Büro der FPÖ Niederösterreich angezündet worden.

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Ohne traditionelle Pressekonferenz hat das Innenministerium den Verfassungsschutzbericht 2019 vor wenigen Tagen auf seiner Homepage veröffentlicht. Aus dem 90 Seiten starken Papier geht hervor, dass die heimischen Sicherheitsbehörden den islamistischen Extremismus und Terrorismus als größte Bedrohung für die Sicherheit Österreichs betrachten. Eine Einschätzung, die durch den Terroranschlag vom 2. November bestätigt wurde und nun wohl erneut die Frage aufwirft, warum das Bundesamt für Verfassungsschutz und Terrorismusbekämpfung (BVT) im Umgang mit dem als Gefährder bekannten Terroristen K. F. eklatante Fehler begangen hat.

Brandanschlag auf FPÖ-Büro

Fragen wirft auch ein Eintrag im Kapitel "Linksextremismus" auf. Darin wird ein Brandanschlag auf die FPÖ-Zentrale in St. Pölten "mit hoher Wahrscheinlichkeit" der linksradikalen Szene zugerechnet, obwohl dafür bereits ein 21-jähriger Geflüchteter aus Afghanistan im Oktober dieses Jahres nicht rechtskräftig zu dreieinhalb Jahren Haft verurteilt wurde. Vor Gericht war ein mögliches Motiv der Tat kaum Thema. Auch erscheint es unwahrscheinlich, dass der Betroffene in der linksradikalen Szene vernetzt war. Er spricht nur gebrochen Deutsch, die Jugendgerichtshilfe attestierte ihm ein fehlendes soziales Netz.

Der Prozess gegen den Afghanen konnte nicht klären, wer die drei anderen Mittäter waren. Auf dem Überwachungsvideo der FPÖ-Zentrale waren nämlich insgesamt vier vermummte Personen zu sehen, die selbstgebaute Molotowcocktails in das Gebäude warfen. Im Prozess, der demnächst in seine finale Runde geht, waren diese kein Thema mehr.

Dafür beteuerte der Betroffene stets seine Unschuld und verwies darauf, dass es keine Beweise gibt, die belegen, dass er zum Tatzeitpunkt überhaupt in St. Pölten war. Weder Handydaten noch die 15 DNA-Spuren am Tatort belasteten den Betroffenen. Der Mann wurde festgenommen, nachdem er Mitarbeitern eines Wiener Krankenhauses aufgefallen war, als er sich einen Tag nach dem Anschlag auf die FPÖ-Zentrale mit einer Brandverletzung ärztlich versorgen ließ. Dabei konnte er nicht schlüssig erklären, wie es zur Verletzung kam. Dies lasteten ihm die Richter schwer an.

Nehammer will Berichtswesen überarbeiten

Angesprochen auf die Ungereimtheiten im Bericht meinte Innenminister Karl Nehammer (ÖVP) am Donnerstag, er wolle nicht auf Details eingehen, doch der Bericht würde einen "Überblick über die Lage in allen extremen Milieus geben".

Er räumte aber auch ein, dass es Verbesserungspotential gebe. Daher wolle er – im Zuge der Reform im Bundesamt für Verfassungsschutz und Terrorismusbekämpfung (BVT) – das Berichtswesen "neu organisieren", es solle umfassender werden, dazu sollen auch den Abgeordneten mehr Unterlagen zur Verfügung gestellt werden.

Deutlicher Überhang bei Rechtsextremismus

Aus dem Verfassungsschutzbericht geht weiters hervor, dass 2019 in Österreich insgesamt 218 Tathandlungen mit erwiesenen oder vermuteten linksextremen Tatmotiven bekannt geworden sind. Ein Jahr zuvor waren es 137 Tathandlungen. Beim Rechtsextremismus gab es einen leichten Rückgang von Straftaten. Im vergangenen Jahr sind insgesamt "954 rechtsextremistische, fremdenfeindliche/rassistische, islamfeindliche, antisemitische sowie unspezifische oder sonstige Tathandlungen" bekannt geworden, darunter Brandanschläge und Körperverletzungen. Im Jahr 2018 waren es 1.075 Tathandlungen. (Markus Sulzbacher, Laurin Lorenz, Gabriele Scherndl, 26.11.2020)