Josef Aschbacher, Direktor für Erdbeobachtung der Esa, gilt als Favorit für den Chefposten der Europäischen Raumfahrtagentur.

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Rom/Wien – Als Siebenjähriger hat Josef Aschbacher am elterlichen Bergbauernhof in Ellmau in Tirol auf einem flimmernden Fernseher die Mondlandung erlebt. Diese habe dazu beigetragen, dass er Meteorologie und Geophysik studiert hat, "womit man mit dem Weltraum arbeiten kann, dann zur Esa zu gehen und dort zu arbeiten – das war immer mein Traum", sagte er einmal zur APA. Nun steht der 58-Jährige als erster Österreicher vor dem Sprung an die Spitze der Europäischen Weltraumorganisation.

Aschbacher ist seit 2016 Direktor für Erdbeobachtung bei der Europäischen Weltraumagentur Esa. Italienische Medien berichteten nun, dass Aschbacher Favorit im Rennen um den Chefposten der Esa ist, den derzeit der Deutsche Johann-Dietrich Wörner innehat. Das wurde der APA aus anderer Quelle bestätigt.

Zwei-Drittel-Mehrheit weit übertroffen

Demnach soll sich Aschbacher bei einem Hearing gegenüber seinen Mitbewerbern aus Spanien und Norwegen klar durchgesetzt haben und bei einer anonymen Test-Abstimmung im Esa-Rat, quasi der Aufsichtsrat der Weltraumorganisation, dann weit mehr als die erforderliche Zwei-Drittel-Mehrheit erhalten haben. Für die für 16. bis 17. Dezember geplanten Sitzung des Esa-Rats will die aus Schweden kommende Vorsitzende des Esa-Rats, Anna Rathsman, daher nur noch einen Kandidaten, eben Aschbacher, zur Abstimmung vorschlagen. Ein Jobdescription für den Posten gibt es hier.

Es wäre eine kleine Sensation, wenn ein kleines Land wie Österreich, das rund zwei Prozent zum Esa-Budget (6,7 Milliarden Euro im Jahr 2020) beiträgt, den Esa-Generaldirektor stellt. Bisher haben das vor allem die großen Mitgliedsstaaten wie Deutschland, Frankreich, Italien und Großbritannien getan, nur 1980 bis 1984 kam mit Erik Quistgaard ein Esa-Chef aus Dänemark.

Aschbacher war schon 2016 der erste Österreicher, der einen Direktorenposten im zehn Mitglieder umfassenden Esa-Direktorium bekleidet, mit dem Bereich Erdbeobachtung verwaltet er das höchste Teilbudget der Raumfahrtagentur. Wird er Mitte Dezember gewählt, löst er Mitte kommenden Jahres den amtierenden Generaldirektor Jan Wörner an der Spitze der Esa ab.

Innsbruck, Bangkok, Ispra, Paris

Der am 7. Juli 1962 geborene Aschbacher studierte an der Universität Innsbruck Meteorologie und Geophysik. Bei der Esa heuerte er nach seiner Dissertation im Jahr 1989 an. Seine erste Station war das European Space Research Institute (ESRIN) in Frascati bei Rom. Nach Aufenthalten in Asien, wo er am Asian Institute of Technology in Bangkok (Thailand) Erdbeobachtungsmethoden mit Radar-Technologien und Bildverarbeitung lehrte und die Interessen der Esa in Südostasien vertrat, kehrte er 1994 nach Europa zurück.

In seinen sieben Jahren am EU-Joint Research Centre in Ispra (Italien) entwickelte Aschbacher das nunmehr unter dem Namen "Copernicus" bekannte EU-Erdbeobachtungsprogramm mit. Ab 2001 folgte eine siebenjährige Tätigkeit am Esa-Hauptquartier in Paris.

Danach ging der Vater dreier Kinder erneut an das ESRIN nach Italien, wo er für die Programmplanung und Koordination zuständig war. Als Direktor für Erdbeobachtung ist der Autor von mehr als 100 wissenschaftlichen Publikationen seit 2016 für alle Esa-Erdbeobachtungsmissionen sowie alle damit in Verbindung stehenden Anwendungen zuständig.

"Kommerziellen Sektor stärker entwickeln"

Im Vorjahr sprach sich Aschbacher im APA-Interview dafür aus, dass sich Europa in der Raumfahrt besser aufstelle, um wettbewerbsfähig zu bleiben. "Wir müssen schneller und dynamischer agieren können und den kommerziellen Sektor stärker entwickeln", sagte er. Die Esa müsse mit einer Anstoßfinanzierung durch öffentliche Gelder den kommerziellen Sektor stimulieren, wobei damit die Hoffnung verbunden sei, dass die Firmen dann "weiterführend Produkte entwickeln, die sie am Markt verkaufen und Geld damit machen können".

Der österreichischen Weltraumindustrie – mit rund 120 Unternehmen und etwa 1.000 Beschäftigten – bescheinigt Aschbacher "wahnsinnig gute Qualität". Das Land sei in einigen Segmenten weltweit im Spitzenfeld, sollte sich aber bemühen, das Portfolio zu erweitern.

Die ESA wurde 1975 gegründet, hat 22 Mitglieder, beschäftigt rund 2.200 Mitarbeiter und hat sich ausschließlich der friedlichen Nutzung des Weltraums verschrieben. (APA, 26.11.2020)