Hier wird sehr ernsthaft gearbeitet und recherchiert. Der Service des Torten-Drive-in, wie es das Hotel Sacher derzeit anbietet, funktioniert tadellos.
Foto: Andreas Riedmann

Die ältere Dame in einem älteren Honda kommt extra aus Mödling, um vor dem Hotel Sacher eine Torte zu erstehen. Dass sie mit dem Wagen direkt vor dem Hoteleingang stehen bleiben kann, um eine Torte zu ordern, ist für sie praktisch, dass sie von einem charmanten livrierten Portier bedient wird, freut sie sichtbar.

Sie kann sich aber nicht leicht und schnell entscheiden: Die Sacher-Torte gibt es in drei Größen, und ganz billig ist das Vergnügen auch nicht. 43 Euro für die kleine Torte, fast 60 für die große, da muss sie noch einmal nachdenken. Sie entscheidet sich für die kleine Variante, "man muss ja aufs Geld schauen, gelt", sagt sie zum Portier, und ihre Freundinnen sollen einfach nicht so viel essen. Hinter ihr drängt schon ein dynamisch wirkender Mann südländischer Herkunft, er ist mit einem BMW vorgefahren, Diplomatenkennzeichen. Er ist wohl Botschaftsmitarbeiter, hat einen eiligen Auftrag, drei Torten, bitte, große Größe. Rasch, rasch, bitte, er hält die Kreditkarte beim Autofenster hinaus.

Sitzen bleiben, aussteigen

Das Torten-Drive-in vor dem Hotel Sacher kommt offenbar gut an, davon konnte sich DER STANDARD bei einem Lokalaugenschein überzeugen. In kurzer Zeit fahren mehrere Autos vor, die Fahrer geben ihre Bestellung ab, manche bleiben sitzen, andere steigen aus. Es ist eine Möglichkeit, auf die Schnelle und kontaktlos eine Torte zu erstehen. Sonst ist hier wenig bis nichts los, Gäste gibt es, aber sie sind sehr selten und nicht bester Laune, der Lockdown drückt allen aufs Gemüt.

Das Torten-Drive-in ist immerhin eine originelle Idee, das eingebrochene Geschäft des Hotel Sacher, ob das jetzt die Gästebelegung oder der Tortenverkauf ist, macht es allerdings nicht wett.

An die 50 Personen fahren täglich beim Sacher hinter der Staatsoper vor, um ihre Tortenorder abzugeben. "Wir sind positiv überrascht", erzählt Matthias Winkler, der Geschäftsführer des Sacher. Pro Jahr werden üblicherweise etwa 360.000 original Sacher-Torten verkauft. In etwa werden also täglich knapp tausend Stück produziert. Dazu kommen noch die Sacher-Würfel, fast eine Million Stück im Jahr, und andere Produkte. Dieser Tage wird die Produktion aber deutlich zurückgefahren. Der Lockdown hat die Nachfrage massiv beeinträchtigt.

Fröhliche Anreise

"Wir können die Zahlen noch nicht abschätzen, aber heuer verkaufen wir natürlich viel, viel weniger als sonst", sagt Winkler. In der Confiserie in der Kärntner Straße, wo üblicherweise der Großteil der Torten abgesetzt wird, ist das Geschäft praktisch zum Erliegen gekommen. Winkler: "Da kaum Menschen in der Stadt sind, gibt es auch nur geringe Umsätze."

Für die Recherche wählten wir einen Ferrari, der im Testfuhrpark des STANDARD gerade frei war. Das sollte eine fröhliche Anreise und einen entschiedenen Auftritt vor dem Hotel sicherstellen. Die Testtorten verbuchen wir unter Spesen.

Die Torten werden auch zum Fahrzeug gebracht.
Foto: Andreas Riedmann

Der Portier des Sacher verweist darauf, dass er selbst aus Italien stamme und sich daher mit dieser Art von Autos gut auskenne. Wenngleich er einen 812 GTS noch nie gesehen hätte. Zwischen den Torten hätte er Zeit für eine Probefahrt. Seinem Chef, der wie beiläufig gerade vor das Hotel tritt, schlägt er auf der Stelle die Anschaffung eines entsprechenden Dienstwagens vor. Damit könne man, also er, etwa alleinreisende Sacher-Gäste vom Flughafen abholen, meinte der Portier. Da Winkler ein höflicher Mensch ist, überlegt er kurz – und sagt erst nach einer kleinen Pause Nein. (Michael Völker, 27.11.2020)