Insbesondere zu den neuen mRNA-Impfungen haben die Leserinnen und Leser des STANDARD etliche Fragen.

Imago Images / Laci Perenyi

Florian Krammer ist im Laufe der Corona-Krise zu einem der weltweit führenden Experten zur Bekämpfung von Sars-CoV-2 avanciert. Der aus Österreich stammende Forscher ist Professor für Impfstoffforschung an der Icahn School of Medicine at Mount Sinai, einer privaten Hochschule in New York City, und hat in den letzten Monaten vielbeachtete Fachartikel über Impfungen gegen Corona veröffentlicht. Im Folgenden beantwortet er als Mitglied im Corona-Fachrat des STANDARD einige der drängendsten Fragen unserer Leserinnen und Leser.

Virologe und Impfstoffforscher Florian Krammer hat – als Corona-Fachrat des STANDARD – die Antworten.
Foto: Sebastian Krammer

Leserfrage: Können Sie kurz erklären, auf welcher Basis die neuen mRNA-Impfstoffe funktionieren?

Krammer: Die sogenannte mRNA – das ist die Abkürzung Messenger- bzw. Boten-Ribonukleinsäure – wird von der Zelle benötigt, um Information vom Genom im Zellkern zu den Ribosomen im Zellplasma zu bringen. Die Ribosomen verwenden dann die Information der mRNA, um spezifische Proteine herzustellen. Für die Impfstoffe wird synthetisch hergestellte mRNA verwendet, die Information für das Spike-Protein von Sars-CoV-2 enthält, mit dem das Virus an die Zelle andockt. Dieses aufgrund des mRNA-Impfstoffs gebildete Protein wird dann auf der Oberfläche der Zellen dem Immunsystem präsentiert, und es kommt zu einer Immunantwort, also zur Bildung von Antikörpern.

Leserfrage: Besteht das Risiko, dass sich diese mRNA in das menschliche Genom einbaut oder gar zu DNA-Schäden führen kann, die weitervererbt werden?

Krammer: Nein – oder wie der Forscher in mir ganz korrekt sagen würde: Das Risiko ist verschwindend gering. Zum einen ist RNA relativ instabil und wird auch recht schnell wieder abgebaut, zum anderen sind alle unsere Zellen zu jedem Zeitpunkt unseres Lebens vollgepackt mit mRNA.

Leserfrage: Wurden die Impfstoffe auch in allen Risikogruppen getestet? Und kann es sein, dass verschiedene Impfstoffe bei Risikogruppen besser wirken?

Krammer: Zumindest beim Impfstoff von Pfizer und Moderna, der wahrscheinlich als erster zugelassen wird, war das der Fall. Dieses Vakzin hat auch in der Gruppe der 65 bis 85 Jahre alten Menschen eine Wirksamkeit von 94 Prozent erreicht, ist also auch bei jenen Personen wirksam, die eine Immunisierung am dringendsten brauchen. Wie gut welcher Impfstoff ist und in welcher Altersgruppe oder Risikogruppe, wird sich zeigen, wenn es mehr Phase-3-Daten zu verschiedenen Impfstoffen gibt.

Leserfrage: Wann ist der beste Zeitpunkt, sich impfen zu lassen?

Krammer: Personen in Hochrisikogruppen sollten sich impfen lassen, sobald ein Impfstoff verfügbar ist, egal, um welchen zugelassenen Impfstoff es sich handelt. Es dauert dann noch einmal fünf bis sechs Wochen nach der ersten Impfung, bis diese auch tatsächlich wirkt.

Leserfrage: Bei der Impfung gegen Dengue kam es zu Problemen, nachdem hunderttausende Menschen geimpft wurden. Könnte das womöglich auch bei den Impfungen gegen Covid-19 drohen?

Krammer: Mit dem Dengue-Impfstoff gab es auf den Philippinen tatsächlich ein Problem. Das Denguevirus ist aufgrund der vier sogenannten Serotypen und eines Phänomens, das wir "antibody dependent enhancement" (ADE) nennen, grundsätzlich ein großes Problem, auch was die Impfstoffentwicklung betrifft. Wenn man sich mit einem Serotyp infiziert, kommt es oft zu relativ leichten Krankheitsverläufen oder asymptomatischen Infektionen. Vor diesem speziellen Serotyp ist man dann geschützt, aber wenn man sich mit einem anderen Serotyp infiziert, hat man ein größeres Risiko einer schweren Infektion. Genau das ist auf den Philippinen durch die Impfungen passiert. Dieses spezifische Problem verschiedener Serotypen gibt es bei Sars-CoV-2 aber nicht.

Leserfrage: Kann ich mir sicher sein, dass ich mich als geimpfte Person wieder frei bewegen kann und dann endlich auch keinen Mund-Nasen-Schutz mehr verwenden muss?

Krammer: Leider nein – zumindest aufgrund der bisherigen Erkenntnisse. Die vorliegenden Studienergebnisse von Biontech/Pfizer und Moderna beurteilen die Wirksamkeit ihrer beiden Impfstoffe nämlich nur hinsichtlich der symptomatischen Infektionen und nicht der asymptomatischen. Aufgrund der Verabreichungsweise der Impfung (durch eine Injektion in den Oberarm) dürfte nur wenig lokaler Schutz der oberen Atemwege aufgebaut werden, weshalb es trotz Impfung zu asymptomatischen Infektionen kommen könnte. Zu dieser konkreten Frage gibt es aber noch keine Daten. Die Frage des MNS wird sich meines Erachtens ganz grundsätzlich weniger darüber lösen lassen, ob jemand geimpft ist oder nicht, sondern wird eher davon abhängen, wie viel Virus in der Bevölkerung zirkuliert. (Peter Illetschko, Klaus Taschwer, 27. 11. 2020)