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Der Handel blickt gebannt gen 7. Dezember. Der Tag hat viel Potenzial für ein Déjà-vu: lange Kundenschlangen vor Geschäften. Wirte zeigen hingegen wenig Ambition, aufzusperren.

Foto: Reuters

Wien – Es sind Bilder, die Virologen Schauer über den Rücken jagen. Angelockt von Rabatten, schwärmten Konsumenten am letzten Einkaufstag vor dem Lockdown zu den Hotspots im Handel aus. Vor den Geschäften bildeten sich Schlangen an Kunden. Drinnen schmolzen beim Wettlauf um Schnäppchen die Abstände. Wie gebannt blickt der Handel seither auf den ersten Einkaufstag nach dem Lockdown. Denn Montag, der 7. Dezember, hat jedes Potenzial für ein Déjà-vu:

Unternehmer sitzen auf vollen Lagern. Viele sehen sich vor finanziellen Abgründen. Bald sind doppelte Gehälter fällig. Am Leben halten sie die Hoffnung auf staatliche Hilfe oder Kriterien, die eine Pleite schlicht nicht zulassen. Auf die Droge der niedrigen Preise können wenige verzichten. Wettbewerbsrechtlich regulieren lassen sich Aktionen schon gar nicht. Die Branche braucht also andere Strategien, um Epidemiologen zu besänftigen.

Viele Puzzlesteine

Seit Tagen reiht sich im Handel ein Krisengespräch an das andere. Experten vom Roten Kreuz bis zur Exekutive sind hinzugezogen. "Es wird ein Spagat", sagt Rainer Trefelik, Obmann in der Wirtschaftskammer. Der Handel brauche Kunden, um Umsatz und Jobs zu retten. Zugleich müsse Einkaufen so virensicher wie möglich sein. Es gehe um Regeln für den öffentlichen Raum, um unzählige Puzzlesteine bis hin zur vielbeschworenen Eigenverantwortung der Konsumenten. "Wir Händler allein werden das nicht lösen können."

Kein Öffnen in Häppchen

Vom Tisch ist eine Öffnung in Häppchen. Die Differenzierung der Branche in Groß und Klein während des ersten Lockdowns erwies sich als nicht praktikabel, da jenen, die früher aufsperren durften, die Ankermieter fehlten. Juristisch war sie ein Schuss ins Knie: Verfassungsrichter erklärten die willkürliche Filetierung für rechtswidrig. Über Schadenersatz für Händler, die klagten, wird noch gerungen.

Nicht in trockenen Tüchern sind die Öffnungszeiten im Dezember. Gefeilscht wird um zwei Einkaufssonntage, um Kundenaufläufe zu entzerren. Auch der 8. Dezember steht zur Diskussion. Bisher darf an dem Feiertag von zehn bis 18 Uhr eingekauft werden. Händler hoffen auf einige Stunden mehr.

Das kleine Einmaleins

Um die Tage bis zum Ende des Lockdowns zu überbrücken, wollen sie zudem ein Ende des Verbots von Cash & Carry. Abholservice, das Wirten erlaubt ist, soll auch ihnen helfen, ihr Geschäft besser zu planen und Onlineriesen Paroli zu bieten. Maskenpflicht, bargeldloses Zahlen, Plexiglas, Desinfektion und kurze Putzintervalle bleiben das kleine Einmaleins des Handels. Pro zehn Quadratmeter soll ein Kunde zugelassen sein. Eine Ausdehnung auf 20 Quadratmeter ist möglich, das könnte aber Schlangen vor Geschäften verlängern.

Parkplätze sperren

Tummelplätze wie Ikea und Einkaufszentren wollen Teile der Parkplätze sperren, ehe der Andrang zu groß wird. Die Kassen sollen durchgängig besetzt und die Bereiche rund um Regalen befreit werden. Händler versprechen mehr Frischluft. Rund 100 Shoppingcenter wollen mit Apotheken Corona-Teststraßen zur Verfügung stellen. "Der Handel wird alle Auflagen nach Strich und Faden einhalten", sagt Rainer Will, Chef des Handelsverbands. Ein Schulterschluss der Branche sei die einzige Chance, um die Krise zu bewältigen.

Ein wunder Punkt ist freilich die Verköstigung der Kunden. Für viele Händler sind Wirte unentbehrlich – sei es als Frequenzbringer, sei es, um den Mangel an Toiletten zu mildern. Der Lockdown light habe gezeigt, wie sehr der Handel darunter leide, wenn eng miteinander verflochtene Branchen auseinanderdividiert werden, sagt Trefelik. "Wir brauchen die Tagesgastronomie."

Förderungen statt warmer Küche

Doch diese zeigt wenig Ambitionen, zügig wieder aufzusperren. Deutschland will sie bis 20. Dezember geschlossen halten, Frankreich gar noch einen Monat länger. Auch in Österreich hält es der Gastronomieobmann Mario Pulker für klüger, den Neustart auf Jänner zu verschieben, zumal die Restriktionen für Gäste vorab massiv wären. "Offene Lokale, Mitarbeiter, Wareneinsatz, aber kein Geschäft – das wäre der Todesstoß für den Großteil unserer Betriebe."

Die Branche habe übers Jahr 60 Prozent des Umsatzes verloren. Die Unsicherheit sei groß, eine Entschädigung für Dezember vernünftiger. "Wie sollen Weihnachten und Silvester überhaupt stattfinden? Kommt da wer? Sollen wir Infektionen riskieren, um im Februar wieder zusperren zu müssen?"

Heikle Ausnahmen

Pulker erinnert an das Dilemma der Reisebüros, die um Förderungen umfielen, da sie vom Lockdown ausgenommen wurden. Ausnahmegenehmigungen für Wirte, die in Einkaufsstraßen oder bei Händlern eingemietet seien, hält er für heikel. "Was wird der Wirt ums Eck sagen, der nicht aufkochen darf?"

Gastronomen und Hoteliers benötigten in jedem Fall ein bis zwei Wochen Vorlaufzeit, um den Betrieb hochzufahren. Wer vor Weihnachten öffnen will, müsse seine Leute bis 15. Dezember anmelden. In Tirol und Vorarlberg dränge die Zeit, da viele Saisonkräfte andernfalls in die Schweiz überwechselten. "Wir brauchen rasch einen Fahrplan." (Verena Kainrath, 27.11.2020)