Die Angreiferin bedrohte den Rabbiner mit einem Messer, verletzt wurde laut Polizei niemand.

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Wien – Zu einer wohl antisemitisch motivierten Attacke auf einen Rabbiner ist es am Donnerstag in Wien-Landstraße gekommen. Eine Angreiferin bedrohte den Mann mit einem Messer und riss ihm die Kippa vom Kopf. Sie soll dabei einschlägige Parolen geschrien haben und danach geflüchtet sein. Das Innenministerium bestätigte gegenüber der APA den Vorfall und betonte auch, dass es aktuell keine Hinweise auf einen islamistischen Hintergrund gebe. Laut Polizei wurde niemand verletzt.

"Jüdische Gemeinde lässt sich nicht einschüchtern"

Der Präsident der Wiener Israelitischen Kultusgemeinde (IKG), Oskar Deutsch, hat den Angriff als "verstörenden Vorfall" bezeichnet, der viele Menschen verunsichert habe. "Doch die jüdische Gemeinde wird sich nicht einschüchtern lassen", betonte er auf Twitter. Der angegriffene Rabbiner, der glücklicherweise unverletzt geblieben sei, werde in vollem Ausmaß durch die IKG unterstützt.

IKG-Generalsekretär Benjamin Nägele erklärte, dass sich der tätliche Angriff an einer Straßenbahnstation am Rennweg gegen 16 Uhr ereignet habe. Zeugen sollten sich bei der Wiener Polizei melden. Die Antisemitismus-Meldestelle der IKG teilte mit, dass die Frau "Schlachtet alle Juden" gerufen, dem Rabbi Hut und Kippa vom Kopf gerissen und einen Tritt versetzt habe. Verfassungsschutz und Polizei würden nach ihr fahnden.

Am Freitag veröffentlichte die Polizei eine Beschreibung der Täterin: Demnach handelte es sich um eine geschätzt 50 Jahre alte, 170 Zentimeter große Frau, die einen grauen Mantel trug. Das Landesamt für Verfassungsschutz und Terrorismusbekämpfung (LVT) habe die Ermittlungen übernommen, hieß es zudem in einer Aussendung. Eine Fahndung nach der Täterin direkt nach dem Vorfall war negativ verlaufen.

"Europa ohne Juden ist nicht mehr Europa"

Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP) reagierte umgehend. "Ich verurteile den heutigen antisemitischen Angriff auf einen Rabbi in Wien auf das Allerschärfste. Wir müssen den Antisemitismus mit aller Entschiedenheit bekämpfen und alles dafür tun, um jüdisches Leben hier in Österreich in Sicherheit zu ermöglichen. Denn Europa ohne Juden ist nicht mehr Europa", teilte er schriftlich mit.

Auch Bundespräsident Alexander Van der Bellen und der Wiener Bürgermeister Michael Ludwig (SPÖ) verurteilten die Attacke. Van der Bellen sprach allen Jüdinnen und Juden in Österreich seine Solidarität aus, Ludwig betonte, dass Antisemitismus in Wien keinen Platz habe.

"Dieser Angriff ist eine Attacke auf das jüdische Leben in Wien", meinte Innenminister Karl Nehammer (ÖVP) in einer Aussendung: "Neben dem bereits angeordneten verstärkten Schutz der Synagogen werden alle Maßnahmen getroffen, um diesen offensichtlich antisemitisch motivierten Angriff rasch aufzuklären. Es gibt keine Toleranz bei Antisemitismus – egal ob dieser politisch oder religiös motiviert ist." Der Angriff zeige zudem, dass Antisemitismus auch in unserer Gesellschaft bestehe, meinte Nehammer in einer erneuten Aussendung am Freitag.

Der Innenminister verwies auch auf ein dreiteiliges E-Learning-Modul, das Polizistinnen und Polizisten seit Herbst dieses Jahres zur Verfügung steht. Dieses beinhaltet unter anderem Grundlagen für das Erkennen von "Hate Crime". Auch in der Grundausbildung für die Polizei wird das Thema Antisemitismus verstärkt verankert. Derzeit läuft dazu eine Evaluierung. (APA, red, 27.11.2020)