Mary S. Lovell, "Das abenteuerliche Leben. Eine Biographie von Richard und Isabel Burton". Deutsch von Alfred Goubran. 39,– Euro / 992 Seiten. Braumüller, Wien 2020

Cover: Braumüller

Es gibt Bücher über das Leben von Richard Francis Burton (1821–1890), es gibt Romane über ihn (Der Weltensammler von Ilija Trojanow) und Filme (Bob Rafaelsons Land der schwarzen Sonne). Zudem sind ein paar Fotos von Burton erhalten geblieben, die etwas festzuhalten versuchen, was sich nicht halten ließ. Sie zeigen einen kräftigen Mann mit durchdringendem Blick, einer langen Narbe im Gesicht und einem ausladenden Schnauzer, später einem Vollbart.

Er ist schwer zu fassen, dieser britische Orientalist und Übersetzer, der 29 Sprachen beherrschte, in Italien und Frankreich aufwuchs, verkleidet als Pilger nach Mekka reiste, als Offizier in Indien diente, die Quellen des Nil suchte und – obwohl er über ein beträchtliches Talent verfügte, es sich mit Autoritäten zu verderben – Konsul in Westafrika, Brasilien, Damaskus und Triest war.

"Burton", schrieb der Journalist Alan Moorehead, "unternahm nie eine Expedition, um nur ein Ziel zu erreichen; er war (...) unterwegs, um sich selbst (...) zu erforschen. Deshalb sind seine Bücher größer als seine Reisen, und deshalb ist der Mann größer als seine Karriere."

Vorbote der Moderne

Das machte ihn im realen Leben zu einer nicht untragischen Figur und zu einem Vorboten der Moderne, wie Mary S. Lovell in ihrer Biografie Das abenteuerliche Leben. Eine Biographie von Richard und Isabel Burton zeigt. Das 1000-seitige Buch, das viele unbekannte Quellen erschließt, liegt nun – endlich – in der Übersetzung des Wiener Schriftstellers Alfred Goubran auf Deutsch vor.

Lovell legte 1998 mit diesem Band nicht nur ein Standardwerk vor, das die Burton-Überlieferung hinterfragt und teilweise revidiert, sondern sie räumt auch Burtons Frau und Verbündeter Isabel (1831–1896) den ihr gemäßen Platz ein. Zudem widerlegt sie Gerüchte, Isabel habe gegen den Willen ihres Mannes nach dessen Tod wichtige Dokumente verbrannt.

Man muss dieses Buch langsam lesen, es lässt einen die Größe und den Duft der Welt wahrnehmen. Es spricht von Anfängen und Enden, Strapazen und Gefahren, vom wankenden britischen Imperium, von kolonialistischem Denken, wildem Leben – und von einer Liebe, die unverbrüchlich war. (Stefan Gmünder, 4.12.2020)