Johny Pitts, "Afropäisch. Eine Reise durch das schwarze Europa". Deutsch von Helmut Dierlamm. 26,– Euro / 460 Seiten. Suhrkamp, 2020

Cover: Suhrkamp

"Afropäisch" ist kein unschuldiges Wort. Es ärgert manche Leute als eine "provokative Komplikation ihres ethnischen Absolutismus". Es tut dies, weil es eine Zusammengehörigkeit zweier Kontinente signalisiert, welche viele gern scharf getrennt sähen, durch das Mittelmeer, durch Mauern, durch welche Grenzbefestigungen immer: Afrika und Europa.

Unter dem Titel Afropäisch (englisch "Afropean") berichtet der britische Fernsehmoderator und Journalist Johny Pitts von einer fünfmonatigen Erkundungsreise durch ein unbekanntes "schwarzes Europa", das aber gleichwohl auf dem ganzen Kontinent existiert, in Paris ebenso wie in Moskau, Berlin oder in Lissabon (das "schwarze Wien" hatte Pitts ebenfalls auf seine Route gesetzt, der Plan fiel aber den Grenzen, die man bei solchen Großprojekten irgendwo ziehen muss, zum Opfer. Sehr schade!)

Vielerlei Reflexionen

Pitts – er wurde in Sheffield unter Thatcher als "schwarzes Mitglied der Arbeiterklasse" geboren – geht nicht als Historiker oder Soziologe an sein Sujet heran, sondern als reisender Journalist, der seine Notizen mit vielerlei Reflexionen über das Verhältnis von Europäern und Afrikanern anreichert, ein Verhältnis, das von Jahrhunderten wenig ruhmreicher Kolonialgeschichte(n) geprägt ist.

Der Rassismus, der Schwarzen in Europa heute teils brutal offen, teils subtil verkleidet entgegenschlägt, spielt in dem Buch zwangsläufig eine große Rolle, aber Pitts erzählt deren Geschichten nicht ausschließlich als Opfergeschichten, sondern auch als solche der Selbstbehauptung. Er durchstreift ethnologische Museen in Brüssel, halb heruntergekommene, halb gentrifizierte Multikultiviertel wie Bijlmer in Amsterdam oder Rinkeby in Stockholm, spricht mit dem schwarzen Reggae-Sänger und Poeten Linton Kwesi Johnson oder begibt sich in Südfrankreich auf die Suche nach Spuren lange verstorbener Galionsfiguren des Antikolonialismus wie James Baldwin oder Frantz Fanon.

Die Zusammenstellung ist etwas chaotisch, aber das meiste, was Pitts zu schreiben weiß, ist lebendig, klug und öffnet den Blick in Welten, in die viele Europäer sonst keinen Einblick haben. (Christoph Winder, 7.12.2020)