Lilli Nagy, "My stage is my kitchen". 35,90 Euro / 138 Seiten. Wolfgang-Pfeifenberger-Verlag, 2020

Cover: Wolfgang-Pfeifenberger Verlag

Es ist nicht immer ganz klar: Steht da "backen" oder "hacken", "Germ" oder "Garn", "Mandel" oder "Morchel". Leserlichkeit hat bei einem Kochbuch dieser Art eben nicht oberste Priorität. Rezepte gehören zur Gattung der stimulierenden Ratgeberliteratur, und da heißt es mitdenken!

Es sind großteils handgeschriebene und handillustrierte Rezepte, die Lilli Nagy im Lockdown zusammengetragen hat. Eingesammelt bei 50 Menschen, die am Theater arbeiten und die wie viele andere auch im Corona-Frühling in die Häuslichkeit verbannt wurden. Keine Vorstellungen hieß: viele freie Abende zum Kochen.

Gewandmeister, Theatermusiker, Tontechnikerinnen, Reinigungskräfte, Portiere, Schauspieler, Dramaturgen und Theaterleiterinnen überbringen in My stage is my kitchen Leibspeispreisungen individueller Art. Hier geht es nicht um Originalität, nicht um Gesundheit oder Trendiness beim Kochen, sondern um persönliche Lieblingsrezepte, die Nagy, im wahren Leben Theaterbetriebsärztin, ihrem Kollegen- und Freundeskreis entlockt hat. Vom Wildschweinbraten bis zum Mettigel. Man lernt dazu!

Familienerbstücke

Manche Rezepturen sind Familienerbstücke oder erinnerungsgetränkte Textkleinode. Eines der überzeugendsten Gerichte präsentiert Burgschauspieler Hermann Scheidleder, der sein Faschierte-Laibchen-Rezept seinen sechs Tanten aus dem Donaudelta verdankt. Dietmar König bäckt sich mit Franzbrötchen ein Stück seiner Heimat Hamburg, Steffi Krautz stellt Pommersche Häckerle vor, Günther Wiederschwinger Greutschacher Topfennudeln seiner Mutter auf Kärntnerisch-Deutsch.

Das Nachkochen birgt ein gewisses Risiko. Anweisungen verbleiben in diesen sehr persönlichen Schriften mitunter im Ungefähren. "Der Vorgang hat ein natürliches Ende", heißt es beispielsweise bei Christoph F. Krutzler und seinen Grammelpogatscherln. Apropos: Diminutivformen boomen: Soßerl, Nockerl, Laberl, Gupferl. Kalorienminimierung at its best! Eine prächtige, wild wuchernde Rezeptsammlung, ein schöner analoger Gruß aus dem Lockdown. (Margarete Affenzeller, 11.12.2020)