Immer noch zu hoch: die Zahl der Neuinfektionen. Doch laut Gesundheitsminister Rudolf Anschober (Grüne) sei ein erster Rückgang zu beobachten.

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"Unglaublich eigentlich": Man merkt Rudolf Anschober (Grüne) noch immer den Schock über die hohen Corona-Zahlen vor zwei Wochen an, als Österreich bei den Neuinfektionen knapp an der 10.000er-Marke kratzte. Die ständigen Verschärfungen würden aber wirken, sagte der Gesundheitsminister am Freitag. In Jubel bricht er nicht aus: Es seien "erste kleine Schritte nach unten", man konnte die Lage "ein bisschen stabilisieren".

Die Maßnahmen wirkten stets zeitverzögert: zuerst mit weniger Neuinfektionen nach mindestens zwölf Tagen, dann mit weniger Hospitalisierungen und weniger belegten Intensivbetten. Mittlerweile sei man an Tag elf des harten Lockdowns angelangt, die nächste Woche werde also zeigen, wie groß dessen Effekt ist. Anschober appelliert an die Bevölkerung, weiterhin soziale Kontakte auf ein Minimum zu reduzieren. Diese eine kommende Woche sei "so wichtig für uns", sie werde auch "so schnell vergehen".

Hohe Zahl an Todesfällen

Klar ist, dass die Zahl der Todesfälle "sehr hoch sei" – am Freitag wurden wieder 113 am Coronavirus Verstorbene gemeldet. Die zweite Welle habe "mit voller Wucht" in Europa eingeschlagen, noch sei unklar, warum. Das würden Wissenschafter in den kommenden Jahren analysieren müssen. An der hohen Zahl an Testungen, wo Österreich im europäischen Spitzenfeld liegt, liege die hohe Zahl der gemeldeten Neuinfektionen nicht ausschließlich, denn die Hospitalisierungen seien ja der "Realwert".

Die Pressekonferenz mit Gesundheitsminister Anschober (Grüne) und Medizinern zum Nachschauen.
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In den Intensivstationen sei die Lage angespannt, aber nicht katastrophal. Klaus Markstaller von der Intensivmedizin am AKH Wien spricht von einem "dramatischen Zuwachs", den man in den vergangenen Wochen erlebt habe. Es komme zu Verzögerungen bei geplanten Eingriffen, aber alle lebensnotwendigen Operationen könnten durchgeführt werden. Dennoch sei das eine unangenehme Lage, ergänzte Günter Weiss von der Uni-Klinik Innsbruck: denn für derjenigen Patienten, der beispielsweise keine geplante Hüftoperation erhalte, sei jeder weitere Tag eine Qual.

Sorge um Kollateralschäden

Besonders heikel gestaltet sich nach wie vor die Situation in Oberösterreich, führte Bernd Lamprecht von der Kepler-Uni-Klinik Linz aus. Man sehe zwar "zaghafte Verbesserungen", habe aber nach wie vor 1.000 Patienten in Normalstationen, rund 150 in Intensivstationen. Nur eine "besondere Konstellation" habe die Triage, also die Auswahl, wer behandelt wird, verhindert: die besonders gute Ausstattung des Gesundheitssystems in Österreich, der Einsatz der Mitarbeiter sowie der harte Lockdown. Man fürchte jedoch Kollateralschäden, so Weiss: Man merke, dass Menschen aus Angst vor Covid bei Beschwerden oder zur Vorsorge nicht im Krankenhaus erscheinen.

Wie geht es weiter? Bei den Massentests erfolge nun eine "Detailabstimmung mit den Bundesländern", sagt Anschober. Die Frage der Öffnungen soll nächsten Mittwoch geklärt sein, dann will die Regierung die Vorgangsweise präsentieren. Weiterhin verbessert soll auch der Schutz in Alters- und Pflegeheimen werden, wo eine hohe Übersterblichkeit besteht. Hier sei die Balance zwischen Schutz und sozialen Kontakten zu finden, denn eine komplette Isolation hätte für die Bewohner auch verheerende Folgen. (fsc, 27.11.2020)