Patti Smith, "Im Jahr des Affen". Übersetzt von Brigitte Jakobeit. 20,60 Euro / 201 Seiten. KiWi, 2020

Cover: Kiepenheuer & Witsch

Als Patti Smith Im Jahr des Affen, das im Original 2019 erschienen ist, zu schreiben anfing, wusste die US-amerikanische Lyrik- und Punk-Ikone noch nicht, was dieses Jahr 2016 alles mit sich bringen würde. Auch nicht, dass Donald Trump eine Wahl gewinnen würde, um als US-Präsident ins Weiße Haus einzuziehen.

Seither ist ein bisschen Zeit vergangen, aber es scheint gerade jetzt der perfekte Zeitpunkt zu sein, in diesem ausgehenden turbulenten Jahr 2020 (im chinesischen Sternzeichen das Jahr der Ratte) gemeinsam mit Patti Smith einen Kreis zu schließen.

Trump, der heute hoffentlich als US-Präsident Geschichte ist, scheint unheilvoll über den Geschichten von Patti Smith zu schweben, in einem traumwandlerischen, ja zauberhaften Werk, in dem sie unzählige Erzählfäden miteinander verknüpft und das sich sehr ausgiebig mit persönlichen Verlusten beschäftigt: "Sam ist tot. Mein Bruder ist tot. Meine Mutter ist tot. Mein Vater ist tot. Mein Mann ist tot. Meine Katze ist tot. Und mein Hund, der 1957 starb, ist noch immer tot", schreibt sie trocken.

Weggehen und Weitergehen

Aber mit ihrem Aufschreiben beschwört sie eben diese lebenslangen Freundschaften, etwa zu Sandy (Pearlman), der ihr vor langer Zeit gesagt hat, sie sollte Sängerin werden, als sie noch in einem Buchladen gearbeitet hat, oder zu ihrem früheren Lover und späteren Freund Sam Shepard.

Mit ihrem Schreiben über das Weggehen und Weitergehen schenkt sie nachhaltig Hoffnung. Sie, die am Ende des Jahres des Affen, am 30. 12., "an ihrem 70. Geburtstag vorbeisegelt", ist nicht bloß eine Überlebende, sie ist immer noch Meisterin darin, ein poetisches Leben zu führen.

Sie zu lesen ist eine Art literarische Wunderkammer zu betreten. Wir folgen ihr in Träume, Cafés und Motels mit Ausblick, begeben uns auf Reisen mit sonderbaren Gefährten, erinnern uns an Bolanos 2666, schauen gemeinsam auf Das Einhorn in Gefangenschaft. Was ist schon real? – Diese Frage scheint Patti Smith ständig in den Raum zu stellen.

"Die ganze Welt spielt verrückt", steht irgendwo geschrieben, aber "die Zeit geht immer weiter und bringt Neues, das man nicht ändern und nicht schnell genug aufschreiben kann." Bald beginnt das Jahr des Büffels. (Mia Eidlhuber, 22.12.2020)