Possierlich, aber giftig: die Mähnenratte.

Foto: Stephanie Higgins

Rein äußerlich sieht die Mähnenratte nicht gerade lebensbedrohlich aus. Das kaninchengroße Nagetier, das in Ostafrika lebt, hat eine Schnauze wie ein Meerschweinchen, und in seinen Proportionen ähnelt es dem Stachelschwein. Vor allem ist es in ein überaus flauschiges Fell gehüllt. Doch das hat es buchstäblich in sich, wie eine neue Studie bestätigt.

Das Verhalten der 1867 erstmals beschriebenen Tierart, die keinen einzigen näheren lebenden Verwandten hat, stellte Zoologen lange vor einige Rätsel. So würde man angesichts der sehr gemächlichen Fortbewegung der Mähnenratten vermuten, dass diese eine leichte Beute für Raubtiere sein würden.

Schwere Vergiftungserscheinungen

Wenn sie attackiert werden, stellen sie zwar ihre Mähne auf und sehen dann tatsächlich wie kleine Stachelschweine aus. Und obwohl Mähnenratten keine Stacheln haben, lassen Hyänen und andere Fressfeinde davon ab, ihnen nachzustellen. Tun sie es doch, endet das für die Angreifer oft genug mit schweren Vergiftungserscheinungen oder sogar letal, wie man aus vielen Vorfällen mit Hunden weiß.

Doch was steckt hinter dem giftigen Geheimnis der Mähnenratte? Bereits vor knapp zehn Jahren konnte ein Teil des Rätsels gelöst werden. Forscher um Fritz Vollrath (Uni Oxford) vermuteten damals, dass sich die Tiere mit einem tödlichen Pflanzengift gegen ihre Fressfeinde immunisieren.

Hochpotentes Toxin

Die einzige damals beobachtete Ratte kaute nämlich an der Rinde der Strauchpflanze Acokanthera schimperi, die ein hochwirksames Gift enthält.

Teile der ziemlich giftigen Strauchpflanze Acokanthera schimperi mitsamt seiner Rinde.
Foto: Stephanie Higgins

Dieses Toxin gehört zu den sogenannten Cardenoliden, wird von Jägern in Afrika auch als Pfeilgift verwendet und ist so potent, dass es sogar Elefanten tötet. Die letale Dosis für Menschen beträgt einige Milligramm.

Ein internationales Zoologenteam um Erstautorin Sara Weinstein (University of Utah, Smithsonian Conservation Biology Institute) ging nun in einer groß angelegten Untersuchung dieser Vermutung nach. Den Forschern gelang es in Kenia, insgesamt 25 der mittlerweile sehr seltenen Tiere zu fangen. In Gefangenschaft wurden sie dann mit speziellen Kameras gefilmt. Die rund 1.000 Stunden Videomaterial brachten einige Überraschungen.

So zeigte sich, dass die Tiere, die man eigentlich für strikte Einzelgänger hielt, ein durchaus aktives Sozialleben haben und monogam sein dürften und sogar "Kleinfamilien" bilden. Auch Monogamie ist für Säugetiere ziemlich außergewöhnlich.

Die putzigen Mähnenratten sind zwar hochtoxisch, aber – anders als man bisher meinte – keine Einzelgänger.
Foto: Stephanie Higgins

Spezielle Haarstrukturen

Vor allem aber konnten die Forscher um Weinstein im Journal of Mammalogy bestätigen, was ihre Kollegen vor rund zehn Jahren vermutet hatten. Zehn der 25 Ratten nagten an der Rinde der hochgiftigen Strauchpflanze, die ihnen von den Zoologen serviert wurde. Die hochgiftige Spucke wurde dann von den Tieren auf die Haare verteilt, die ebenfalls im Detail untersucht wurden. Unter dem Elektronenmikroskop offenbarte sich eine wabenartige Struktur, die besonders viel von dem Toxin aufnehmen kann.

Detailstruktur der Haare, die das Gift aufnehmen. Ganz unten ist eines ohne das Gift.

Einige Rätsel konnten die Forscher aber auch jetzt noch nicht lösen. So bleibt noch zu klären, wie regelmäßig sich die Mähnenratten mit dem Gift diesen für ihre Feinde lebensgefährlichen Schutz verpassen. Unklar ist außerdem noch, wie sie das Toxin selbst vertragen, vor allem, wenn sie sich bei der Giftaufbereitung verschlucken sollten. Immerhin weiß man, dass Erbrechen als Notlösung ausfällt. Dazu ist nämlich keine einzige Nagetierart fähig. (Klaus Taschwer, 27.11.2020)