Frauen wie Margaret Thatcher galten als so durchschlagskräftig, dass sie bis heute als Symbol für eine bestimmte Politik stehen. Statistisch sind Frauen jedoch seltener an den Hebeln der Macht als Männer. Woran liegt das?

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Künftig soll es in Deutschlands Vorständen mehr Frauen geben. Die Regierung hatte sich letzte Woche auf eine Geschlechterquote für börsennotierte Unternehmen mit zumindest drei Vorstandsmitgliedern geeinigt. Das würde fast ein Drittel der der hundert größten börsennotierten Konzerne betreffen. In Österreich gibt es Quoten nur für Aufsichtsräte.

Wissenschafter haben sich lange damit beschäftigt, warum mehr Männer als Frauen in Führungspositionen landen. Viele Faktoren spielen eine Rolle, sagt Eva Ranehill von der Universität Göteborg. "Ein traditionelles Familienbild und die Wahl bei der Ausbildung sind wohl die wichtigsten", schätzt die Verhaltensökonomin. Sie wollte einen weiteren Aspekt untersuchen: Werden Führungspositionen seltener weiblich besetzt, weil Frauen weniger effektive Führungskräfte wären? Daher entwarf die Forscherin mit ihren Co-Autoren, Lea Heursen von der Humboldt-Universität Berlin und Roberto A. Weber von der Universität Zürich, Experimente, um Führungsqualität zu testen – nicht alle Aspekte, aber einen wichtigen: Überzeugungskraft.

Wer besser motiviert

Um diese Motivationskraft zu testen, ließen die Forscher mehrere Gruppen eine Simulation spielen. Probanden sollen sich vorstellen, sie wären in einem kleinen Unternehmen. Das Spiel ist so angelegt, dass es sich für den Einzelnen nur dann auszahlt, mit den Kollegen zu kooperieren, wenn alle an einem Strang ziehen, andernfalls erleiden die kooperativen Spieler Einbußen. Die Probanden erhalten echtes Geld, je nach Spielerfolg.

Ranehill gibt ein Beispiel aus der Arbeitswelt, das dem Aufbau des Spiels entspricht: Wenn ein Team andenkt, mit einem neuen Programm die Arbeit zu erleichtern, müssen alle lernen, damit umzugehen. Sollte sich nur einer die Zeit nehmen, das Programm zu erlernen, investiert er seine Energie umsonst. Wenn alle im Team davon ausgehen, dass ein paar Kollegen das neue Programm nicht verwenden würden, ersparen sie sich selber die Mühe, es zu erlernen. Ein guter Teamchef muss daher jeden vom neuen Programm überzeugen. Außerdem muss der Chef glaubhaft machen, dass er alle dazu bringen wird, das Programm zu verwenden. Genau diese Führungsqualität wird in den Experimenten der Verhaltensforscher simuliert.

Die Wissenschafter wählten zufällig innerhalb der Gruppen Anführer aus, die den Teammitgliedern Nachrichten schicken konnten, um sie von einer neuen Strategie zu überzeugen. Manchen gelang das besser, anderen schlechter. Um die Überzeugungskraft neutral zu beurteilen, gab es Gruppen, in denen die Anführer anonym waren. In anderen Teams wussten alle, ob ein Mann oder eine Frau sie koordiniert. Ergebnis: Das Geschlecht spielte keine Rolle, wie effektiv eine Führungskraft war. Etwaige Vorbehalte oder Stereotype der Probanden minderten nicht den Erfolg.

"Das hat uns überrascht", sagt die Ökonomin. Die Forscher hatten erwartet, dass Frauen schlechter abschneiden, weil man ihnen weniger zutraut. Somit wären sie im Nachteil gegenüber Männern.

Rolle der Wissenschaft

Was sagen Versuche mit Studenten über die reale Welt aus, in der öfter alte Männer ihre Nachfolger bestimmen? Man müsse immer vorsichtig sein, sagt Ranehill: "Wir haben andere Erfolgskriterien wie Erfahrung oder Stressresistenz in diesem Experiment nicht untersucht." Wer jedoch behauptet, Frauen kämen für Führungspositionen nicht infrage, weil sie Leute nicht motivieren könnten, steht im Widerspruch zur wissenschaftlichen Evidenz.

"Bei Genderdebatten wird die Wissenschaft von allen Seiten leider oft ausgeblendet", bedauert die Ökonomin. Vieles sei aber zu wenig erforscht. Etwa, warum sich junge Frauen öfter für Ausbildungswege entscheiden, die der Karriere abträglich sind.

Zwar nehmen Vorurteile in der Gesellschaft ab, meint die Forscherin. Dafür steige der Wettbewerb am Arbeitsmarkt: Somit reicht subtile Diskriminierung aus, um eine Stelle nicht zu erhalten. Das könnte erklären, warum ein Wandel in den Köpfen, nicht eins zu eins in der Praxis ankommt. (Leopold Stefan, 28.11.2020)