Neben der zunehmenden Polarisierung zum Thema Corona und den damit assoziierten Themenfeldern wie Massentestungen und nahenden Impfungen, ist eines heute schon evident - das Virus und die damit verbundene Pandemie wird zum Systemtest für Politik, Wirtschaft, unser Bildungs- sowie Gesundheitssystem. Der Erreger zeigt unbarmherzig die Schwachstellen eines gesamten Gesellschaftssystems auf, das bereits vor der Krise nicht gänzlich gesund war. Corona zwingt uns gewohnte Muster und Denkweisen über Bord zu werfen. So paradox es klingen mag, so steckt in der schwierigen Situation sogar eine Chance uns und die Gemeinschaft weiterzuentwickeln.

Hilfe zur Selbsthilfe: Durchbrechen der erlernten Hilflosigkeit

Das Konzept der erlernten Hilflosigkeit beschäftigt sich mit der durch negative Erfahrung entwickelten Überzeugung, die Fähigkeit zur Veränderung der eigenen Lebenssituation verloren zu haben und für diesen Zustand selbst verantwortlich zu sein. Das psychologische Konzept wird beispielsweise zur Erklärung von Depressionen herangezogen. Die Einstellung seines Glückes Schmied zu sein und äußere Umstände Kraft der eigenen Fähigkeiten verändern zu können, ist von höchster Relevanz. Eins der wichtigsten Ziele therapeutischer oder psychologischer Interventionen ist nicht nur die Minderung von Leid - das oberste Bestreben ist die Hilfe zur Selbsthilfe. Der Klient soll nicht in permanente Abhängigkeit versetzt werden. Eigene Potenziale und Ressourcen müssen stimuliert und aktiviert werden, um am Ende wieder erfolgreich auf eigenen Beinen zu stehen.

The Times They Are a-Changin'

Schon Bob Dylan besang in einem Lied “The Times They Are a-Changin'“ sinngemäß, dass der Verlierer von heute der Gewinner von morgen sein wird, denn die Zeiten ändern sich. Der Krankheitserreger beeinflusst nicht nur den menschlichen Organismus, er trifft unser gesamtes Gesellschaftsmodell. Die Schwächen werden schonungslos offengelegt. Wir werden verschiedenste Ebenen der Gemeinschaft neu oder überdenken müssen. Der legendäre deutsche Bundeskanzler Helmut Schmidt stellte einmal fest “Wer Visionen hat, sollte zum Arzt gehen.“ So gesehen ist der Autor gerade auf dem Weg in die metaphorische Intensivstation. Ihnen steht es frei, die inhaltliche Triage im Sinne der Auslese bei den nun folgenden Themenfeldern vorzunehmen.

Corona als Chance?
Foto: APA/BARBARA GINDL

Schul- und Gesundheitssystem

Unser Bildungs- und Gesundheitssystem ist schon vor Corona kaputt gespart worden. Reformen - außer auf ökonomischer Ebene - wurden jahrzehntelang angekündigt, aber nie in Angriff genommen. Wie viel ist uns die Zukunft unserer Kinder wert? Verdienen Kinder und Jugendliche die beste Ausbildung und vor allem die befähigtsten Pädagogen? Soll unsere Gesundheitsversorgung durch ein Diktat der Technokratie und von betriebswirtschaftlichen Kennzahlen dominiert werden oder soll das Individuum im Fokus der Bemühungen stehen?

Wirtschaft- und Finanzsystem - Bedingungsloses Grundeinkommen

Die drohende Wirtschaftskrise als Folge der Corona-Maßnahmen und Einschränkungen macht ein Überdenken der Funktion von Arbeit notwendig. Ein bedingungsloses Grundeinkommen ist wenn nicht jetzt dann gar nie anzudenken. Jeder wäre in der Lage auf der Basis einer finanziellen Grundabsicherung seinen beruflichen Lebensweg zu gestalten. Einen Versuch wäre es allemal wert. Die Einsparungspotenziale in Verwaltung und Arbeitslosenbetreuung wären enorm.

Freiheit, Demokratie und Medien

Den Medien kommt eine besondere Bedeutung als Mediator zwischen Corona-Skeptikern und komplett unreflektierter Regierungspropaganda zu, denn nie war die Rolle der vierten Macht im Staat so wichtig wie heute. Zwischen Angstmache und riskanter Relativierung gilt es den feinen Grad des guten journalistischen Geschmacks zu finden. Hier kann Journalismus zeigen wie er weder unkritisch über Maßnahmen berichtet, noch komplett in Fake-News abgleitet. Wichtig ist, die Seher, Leser und Hörer aller Gesellschaftsschichten und Meinungen zu erreichen und nicht einzelne Menschen mit ihren Sorgen und Ängsten pauschal als “Covidioten“ zu stigmatisieren und so einen demokratischen Diskurs im Keim zu ersticken.

Es wird sich zeigen wieweit unsere Demokratie tatsächlich entwickelt ist und wie tolerant wir anderen Meinungen gegenüber wirklich sind. Die oft aufkommende Frage der Systemrelevanz von Einzelnen stellt sich im holistischen Verständnis nicht, denn wir alle sind systemrelevant. Den Zusammenhang zwischen Freiheit und Sicherheit fasste schon der Gründer der Vereinigten Staaten, Benjamin Franklin, in interessanter Form zusammen: “Wer die Freiheit aufgibt, um Sicherheit zu gewinnen, der wird am Ende beides verlieren.“ (Daniel Witzeling, 2.12.2020)

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