Der Präsident der Islamischen Glaubensgemeinschaft, Ümit Vural, rückt zunehmend vom Gedanken einer eigenen Moscheesteuer ab.

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Welche Reformideen gibt es, um extremistische Umtriebe in österreichischen Moscheen zu verhindern und den Einfluss ausländischer Islamisten auf die Predigten zurückzudrängen? Diese Frage stellt sich seit Jahren, durch die Schließung einer salafistisch dominierten Moschee in Meidling, in der der Wiener Terrorattentäter verkehrte, gewinnt die Debatte erneut an Fahrt. Im Fokus steht dabei die Islamische Glaubensgemeinschaft in Österreich (IGGÖ), die für die Anerkennung von Moscheen zuständig ist. Die IGGÖ steht selbst wegen ihrer finanziellen wie ideologischen Abhängigkeit von vorwiegend rechten türkischen Verbänden in der Kritik.

Ein vieldiskutiertes Konzept, um die Moscheen von ausländischem Geld und Imam-Personal unabhängiger zu machen, stellt die Moscheensteuer dar. Der Islamtheologe Mouhanad Khorchide äußerte etwa im STANDARD die Hoffnung, dass so die Mitglieder der IGGÖ über ihre Beiträge einen stärkeren Einfluss auf die Entwicklung des österreichischen Islams nehmen könnten. IGGÖ-Präsident Ümit Vural spielt seit seinem Amtsantritt mit dem Gedanken einer Moscheensteuer. Inzwischen rückt man aber von der Idee einer eigenen, separaten Steuer ab. Auf Anfrage des STANDARD legt sich die IGGÖ nun auf eine Präferenz für das sogenannte italienische Steuermodell fest, bei dem ein bestimmter Prozentsatz der ohnehin eingehobenen staatlichen Steuern auf alle Religionsgemeinschaften abhängig von ihrer Widmung verteilt wird.

Der "Geschmack des Geldes"

In der Argumentation für dieses Modell beruft man sich auf den katholischen Kirchenhistoriker Rudolf Höfer, der vor seiner Pensionierung an der Uni Graz gelehrt hat. Höfer ist ein prononcierter Gegner des österreichischen Systems der Kirchenbeiträge, das er als "Relikt des Nationalsozialismus" bezeichnet. Denn mit dem sogenannten "Anschluss" 1938 führten die Nazis die Beiträge ein, um die Kirchen zu privaten Vereinen herabzustufen und eine Austrittswelle herbeizuführen – was auch gelang. In der Zweiten Republik kamen die Kirchenverantwortlichen dann allerdings auf den "Geschmack des Geldes", wie Höfer kritisiert, der sich zudem an der "asozialen" Belastung durch die Kirchenbeiträge stößt, die Geringverdiener besonders hart treffen. Nun ist der Kirchenbeitrag einer der Hauptgründe dafür, warum jedes Jahr abertausende Katholiken in Österreich der Kirche den Rücken kehren.

Anstatt dieses Modell bei der IGGÖ zu perpetuieren, regt Höfer eine ganzheitliche Reform der Finanzierung von Religionsgemeinschaften an. Man solle sich an Italien anlehnen, wo Steuerzahler einen kleinen Anteil des Steueraufkommens zweckwidmen können – konkret sind 0,8 Prozent für Religionsgemeinschaften reserviert. Gerade für die Islamische Glaubensgemeinschaft und andere wäre das sinnvoll, glaubt Höfer, denn die IGGÖ erhält derzeit trotz einer großen Anzahl an Gläubigen kaum Mittel von den hierzulande lebenden Muslimen.

Die katholische Kirche wehrt sich

Obendrein gebe es zwar ein Mitgliedsdenken wie in der katholischen Kirche bei den Musliminnen und Musliminnen so nicht, erklärt Höfer. Mit einer eigenen, separaten Steuer würde aber wohl auch dort ein "Austrittsproblem" mit eingeführt.

Die Umsetzung einer Steuerwidmung in Österreich würde viele Probleme lösen, meint Höfer. Aber sie müsste allen Religionsgemeinschaften angeboten werden. Die Kirche pocht zum Ärger Höfers jedoch weiterhin auf das etablierte Modell der Kirchenbeiträge. Die Erzdiözese Wien meint, dass dadurch "eine gesunde Trennung von Staat und Kirche" gegeben sei. Aber auch eine finanzielle Autonomie, weil sie über das eingehobene Geld selbst verfügen kann und flexibel auf finanzielle Schwierigkeiten einzelner Beitragszahler Rücksicht nehmen und auch Umstände berücksichtigen könne, "die das staatliche Steuersystem kalt lassen würden". Mit einer Steuerwidmung würde sich die Kirche zum Spielball der Tagespolitik machen, erklärt eine Sprecherin der Erzdiözese dem STANDARD.

Die katholische Kirche habe einfach Angst, dass zu wenige Menschen für sie votieren würden, wendet Höfer ein. Das sei aber ein völliger Unsinn. Die Diözese Bozen-Brixen in Südtirol hatte laut dem Experten 2018 nur 16 Austritte und die Katholiken dort einen Anteil von 96,1 Prozent an der Bevölkerung. In Nordtirol traten im selben Zeitraum einige tausend Menschen aus der Kirche aus, auch der Anteil der Katholiken an der Bevölkerung sei deutlich niedriger. "Die Menschen treten aus der Kirchensteuer aus, nicht aus der Kirche", sagt Höfer. (Theo Anders, Jan Michael Marchart, 1.12.2020)