Die Tatorte der Wiener Terrornacht sind nicht weit entfernt – am Kohlmarkt, beste Lage in der Innenstadt, befindet sich zwischen lauter Luxusläden ein sehr kleines Geschäftslokal, beim Vorbeigehen könnte man es leicht übersehen. Auf den ersten Blick sieht es aus wie eines der vielen Souvenirgeschäfte, wo Mozartkugeln, Riesenrad-Schlüsselanhänger oder Lipizzaner-Stifte verkauft werden.

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Hier gibt es zwar auch Souvenirs, allerdings ganz spezielle: Kappen, Buttons, T-Shirts, Magnete und Masken werden verkauft. Nicht nur der Spruch "Pray for Vienna", sondern auch "Schleich di du Oaschloch!" oder "Stronger than hate #Vienna" ist darauf zu lesen. An der Wand im Geschäft steht "Make Love Not War".

Von alldem zeugen aber nur noch zwei Fotos auf Twitter. Denn der Shop wird schon wieder umgebaut. Montagfrüh ist ein Lieferwagen direkt davor geparkt, drinnen stehen zwei Handwerker. Die Regale sind mittlerweile leer, aber am Eingang ist noch ein Schild angebracht: "Pray for Vienna" steht da – und dass alle Erlöse zu 100 Prozent an die Opfer gespendet werden.

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Die beiden Handwerker wissen nur, dass nach dem Lockdown Schmuck verkauft werden soll. Der Eigentümer sei der gleiche. Der Mann war für den STANDARD bislang aber nicht zu erreichen. Vielleicht habe der Souvenirshop einen Tag offen gehabt, meinen die Arbeiter. "Mehr eher nicht. Da kam ja dann der Lockdown."

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Terror-Merch auf Amazon

Mit dem Schließen des Shops verschwinden diese Produkte zwar aus der Wiener Innenstadt. Online gibt es freilich nach wie vor ein großes Angebot an Merchandise zum Anschlag vom 2. November.

Am beliebtesten scheinen Produkte mit dem Aufdruck "Schleich di, du Oaschloch" zu sein. Der zutiefst wienerische Spruch verbreitete sich nach dem Anschlag in sozialen Netzwerken – auf einem Video der Terrornacht soll das ein Anrainer dem Attentäter zugerufen haben. Zum exakten Wortlaut gibt es zwar Zweifel, aber der Spruch blieb dennoch wie kein anderer mit dem 2. November verbunden.

Kurze Spendenaktion

Auf Amazon finden sich momentan 135 Schleich di-Shirts, die zwischen 13 und 20 Euro kosten. Auf einigen ist die rot-weiß-rote Fahne neben den Spruch gedruckt, manche haben das Wiener Wappen daneben, eines ist sogar mit Lederhose und Dirndl verziert. "Ich bin Wien" steht auf vielen außerdem.

Einer der Ersten, die solche Shirts nach dem Anschlag anboten, war Ali Mahlodji, Gründer von Whatchado, Autor und Mentor bei der Sendung "Zwei Minuten, zwei Millionen". Der Gewinn – schlussendlich 60.000 Euro – wurde der Organisation "Friedensflotte Mirno More" gespendet.

Er und sein Team seien wegen der Aktion "massiven Hassnachrichten" ausgesetzt gewesen, schrieb Mahlodji nach der Aktion auf Facebook, weil ihnen Profitgier unterstellt wurde. "Das gesamte Team hat komplett ehrenamtlich gearbeitet, weshalb auch die Vorwürfe der Bereicherung der letzten Tage nicht haltbar sind", stellte er klar. Der Shop ist mittlerweile offline, "da wir niemals vorhatten, einen 'Fanshop' zu eröffnen, sondern wir wollten ein Zeichen setzen. Nicht mehr, nicht weniger." (Lara Hagen, 30.11.2020)