Die nach Premiumautos verrückten Chinesen kaufen längst wieder.

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550.000 Autos hat das Joint Venture des bayrischen Autobauers BMW mit seinem chinesischen Partner Brilliance im vergangenen Jahr verkauft – das sind mehr, als BMW in Deutschland und den USA zusammen abgesetzt hat. Und auch für das Krisenjahr 2020 erwartet man im nordchinesischen Shenyang, wo das Joint Venture seinen Sitz hat, ein Wachstum – denn die nach Premium-Autos verrückten Chinesen kaufen längst wieder. Eigentlich müssten die Geschäfte also glänzend laufen, der BMW-Partner ist aber trotzdem in Zahlungsschwierigkeiten.

Huachen, das Mutterunternehmen von Brilliance, gab kürzlich bekannt, dass es Anleihen in Höhe von 6,5 Milliarden Yuan, rund 800 Millionen Euro, nicht bedienen kann. Das Staatsunternehmen aus Nordchina beschäftigt rund 40.000 Mitarbeiter, BMW-Joint-Venture-Partner Brillance ist eine Tochter, die an der Hongkonger Börse notiert ist.

Pleitegehen nicht vorgesehen

Dass dies überhaupt zugelassen wird, ist ein Novum, denn hinter Huachen steht der chinesische Staat. Und dass Staatsunternehmen in Zahlungsschwierigkeiten geraten oder gar pleitegehen, ist im Sozialismus chinesischer Prägung eigentlich nicht vorgesehen. Konnte ein Unternehmen bisher seine Anleihen nicht mehr bedienen, sprang gewöhnlich die Regierung ein. Das geht einige Zeit gut – Gläubiger sind zufrieden, und das Unternehmen kann weiter produzieren – führt aber zu einem "Moral Hazard". Die Verantwortlichen gewöhnen sich daran, dass im Zweifel die Regierung einspringt, und die Käufer der Anleihen achten nicht auf die Bonität.

Dass nun erstmals Staatsunternehmen – Huachen ist derzeit nicht das einzige, betroffen sind auch Chiphersteller Tsinghua Unigroup und der Minen- und Kraftwerkskonzern Yongcheng – in Zahlungsschwierigkeiten geraten und der Staat nicht sofort einspringt, kann man deshalb positiv sehen: "Dass nun erstmals auch Staatsunternehmen für ihre Schulden geradestehen müssen, ist eigentlich ein gutes Zeichen. So wird ein Moral Hazard vermieden", sagt Max Zenglein, Experte für Wirtschaftsfragen beim Mercator-Institut für China-Forschung in Berlin. "Trotzdem ist Chinas Verschuldung besorgniserregend, das weiß auch die Führung in Peking. Die Pandemie hat die Problematik nochmals verschärft."

Mehr Geld

Wie auch die meisten westlichen Regierungen reagierte die Führung in Peking auf die Krise mit mehr Geld. Chinas Staatsverschuldung lag 2019 bei 54 Prozent – das ist im internationalen Vergleich extrem niedrig. Auch die privaten Haushalte haben vergleichsweise geringe Verpflichtungen. Das Problem sind die Unternehmen, deren Schuldenlast 2019 bei 150 Prozent des BIP lag. Rechnet man all das zusammen, belegt China mit 250 Prozent Verschuldung den Spitzenplatz – die riesigen Finanzspritzen aus diesem Jahr sind da noch nicht eingerechnet. Es braut sich also etwas zusammen.

Ob und wie weit auch ausländische Unternehmen davon betroffen werden, ist unklar. Bei BMW in China hieß es vergangene Woche, "die Tätigkeiten des Joint Ventures seien durch die Zahlungsschwierigkeiten der Huachen-Gruppe nicht direkt betroffen". Unternehmen aus sogenannten Schlüsseltechnologien, dazu zählt die Automobilbranche, müssen in China Zwangspartnerschaften mit chinesischen Unternehmen eingehen. So will die Führung in Peking sicherstellen, dass langfristig ein Technologietransfer stattfindet. (Philipp Mattheis, 1.12.2020)