Der Wien-Wahlkampf ist vorbei, und damit ist auch das gern von der ÖVP bemühte Narrativ, die Hauptstadt sei auf dem absteigenden Ast, aus den Schlagzeilen verschwunden. So gesehen kommt die Präsentation eines Berichtes der Industriestaatenorganisation OECD am Montag darüber, wie sich Regionen und Städte in den wohlhabenden Ländern der Welt entwickeln, zu spät. Andererseits wird der Glaubenskrieg um Wien irgendwann fortgesetzt – und genau dafür liefert die OECD jede Menge neues Futter.

In dem Report "Regions and Cities at a Glance" vergleicht die Organisation die wirtschaftliche Entwicklung wichtiger Metropolregionen und schaut sich Kennzahlen zu Ökologie, Gesundheit, aber auch Müllentsorgung an. Die gute Nachricht für Wien: In vielen Kategorien schneidet die Stadt sehr gut ab.

Viele gute Nachrichten, ...

Ein Beispiel: Krankenhausbetten pro 1.000 Einwohner. Angesichts der Corona-Pandemie wirken vergangene Debatten darüber, dass es zu viele Krankenhausbetten in Österreich gibt, wie aus einem anderen Jahrhundert. Wien ist hier laut OECD nicht nur besser ausgestattet als andere Metropolen in Industrieländern, sondern auch besser als einige andere Bundesländer wie Niederösterreich.

Wien wird auch dafür gelobt, das Abfallaufkommen seit dem Jahr 2000 um 30 Prozent reduziert zu haben. Die Haushaltseinkommen sind im internationalen Vergleich in der Stadt zudem absolut gesehen hoch.

... aber auch eine schlechte

Doch die OECD hat auch ernüchternde Nachrichten parat. Die Wachstumsdynamik in Wien ist mager. Die kaufkraftbereinigte Wirtschaftsleistung pro Kopf kommt seit 20 Jahren kaum vom Fleck. Diese Kennzahl ist wichtig, weil sie als ein Annäherungswert dafür dient, wie sich die Einkommen der Menschen entwickeln. Seit dem Jahr 2000 lag der Zuwachs bei Einkommen demnach pro Jahr in Wien bei nur 0,26 Prozent. In Budapest waren es 2,4 Prozent, in Ljubljana zwei Prozent.

Als Beleg dafür, dass das Wachstum in Wien im Vergleich mit Metropolen der Nachbarländer langsam ist, dient der OECD eine Grafik. Diese zeigt, dass Wien in puncto Einkommensentwicklung eher italienischen Städten wie Bologna ähnelt als dynamisch wachsenden Städten wie Budapest, Ljubljana, aber auch Mailand, Graz und Linz. Von 480 verglichenen Regionen mit über 250.000 Einwohnern gehört Wien zu den 20 Prozent mit dem schwächsten Wachstum, so die OECD.

Aber was ist die Aussagekraft solcher Vergleiche? Wiens Bevölkerung ist in den vergangenen 20 Jahren dynamisch gewachsen. Im Bericht wird das nicht lang ausgebreitet, nur kurz erwähnt, doch OECD-Experte Eric Gonnard sagt auf Nachfrage, dass Wien ein "Ausreißer" war. In wenigen anderen reichen Ländern ist eine Stadt so schnell gewachsen.

Seit 2010 sind 200.000 Bewohner dazugekommen. Das erklärt aber auch die Entwicklung bei Einkommen zu einem großen Teil: Diese werden pro Kopf gerechnet, und wenn die Bevölkerung wächst, die Einkommen aber nicht ganz so stark zulegen, wirkt sich das in der Rechnung aus. Zumal vor allem Zuwanderer aus Ungarn, Rumänien und anderen ärmeren osteuropäischen Ländern in Wien dazukamen. Wenn ärmere Menschen hinzuziehen, heißt das nicht, dass irgendwer anderer, der schon hier lebt, etwas verliert.

Zudem muss beachtet werden, dass die OECD unter Metropolregion mehr versteht als nur Wien: Auch Teile Niederösterreichs werden eingerechnet. Ökonom Peter Mayerhofer vom Wifo sagt, dass aus erwähnten Gründen der OECD-Vergleich wenig aussagt. Deutlich werde allenfalls, dass die Wachstumsdynamik in Wien zuletzt nicht vorteilhaft war. (András Szigetvari, 1.12.2020)