Das "Kaufhaus Österreich" liefert abstruse Ergebnisse, kuriose Shops – und insgesamt fast alles, was man nicht gesucht hat.

Foto: screenshot kaufhaus-oesterreich.at

Wien – Am 24. Dezember vormittags noch schnell ins Einkaufscenter, um Weihnachtsgeschenke zu besorgen – das ist im Jahr 2020 eine noch schlechtere Idee als sonst. Gut also, dass Bundesregierung und Wirtschaftskammer zu Beginn des Advents das "Kaufhaus Österreich" online gehen ließen: Dort kann man auch im Lockdown bei österreichischen Händlern kaufen. Gewünschte Produktkategorie eingeben, heimischen Onlineshop finden, einkaufen. So einfach könnte es gehen. Sollte es gehen. Tut es nicht, was man so hört.

Schon gehört? Lassen Sie sich diesen Artikel vorlesen.

Aber vielleicht sind die ganzen Unkenrufe, die Seite kaufhaus-oesterreich.at liefere die abstrusesten Ergebnisse, ja billige, fingierte Häme. Wenn sich Wirtschaftsministerium und -kammer zusammentun, um ein völlig neues, österreichisches Shoppingerlebnis zu servieren, dann muss das doch – eingedenk der geballten Kompetenz beider Institutionen – kein allzu großer Blödsinn sein. Ich versuche also, heute schon alle Weihnachtsgeschenke für Freunde und Familie zu besorgen. Und zwar auf kaufhaus-oesterreich.at.

Hubschrauber statt Stanišić

Um mein intellektuelles Image zu pflegen, verschenke ich gerne Bücher. Ich gebe also "Bücher" ins Suchfeld ein und klicke auf "Los". Das erste Ergebnis: ein Concept-Store aus Bregenz, der Geschenkideen in die Unterkategorien "Für Männer" und "Für Frauen" einteilt, was mich schon einmal abschreckt. Er bietet "Gadgets für jede Generation, von Jung bis Alt" an, etwa eine "Augenmaske speziell für Männer", befüllbare Schnaps-Weihnachtskugeln oder eine Stress-Wurst. Aber ich lerne: Ein Buch ist kein Gadget. Ich ziehe weiter zum zweiten Ergebnis.

Ich lande bei einem Onlineshop für Lego-Teile. Ich speichere den Link zum Lego-Rentier-Christbaumschmuck und ziehe weiter zum dritten Ergebnis: Actionfiguren.eu in Hirschau. Der vierte Treffer: airmoving.at, ein Shop für ferngesteuerte Modellautos, -flugzeuge und -hubschrauber. Vielleicht würde sich meine Großmutter darüber mehr freuen als über den Saša-Stanišić-Roman?

Zwischen Sinabelkirchen und Schrattenbach

Jetzt erkenne ich meinen Fehler: Ich habe "Bücher" ins Suchfeld eingegeben, um nach Büchern zu suchen. Die Seite zeigt daraufhin aber die gesamte Produktkategorie "Bücher, Papier- und Spielwaren" an. Natürlich muss ich dann noch einmal "Bücher" suchen, um tatsächlich Buchhandlungen angezeigt zu bekommen. Wie dumm von mir!

So werden mir auf der ersten Ergebnisseite auch fast nur Buchgeschäfte angezeigt. Mit der Ausnahme des Nah&Frisch in Sinabelkirchen und eines Alpakahofs in Schrattenbach.

Bluetooth-Flaschengärten

Neuer Versuch. Meine Eltern haben genug zu lesen und sollen einen tragbaren Lautsprecher bekommen. Ich suche also nach "Lautsprecher" – kein Ergebnis. Nicht einmal Alpakas. Dann probiere ich es über die Kategorien und klicke auf "Elektro, Elektronik, Foto und Musik". Ich suche eine Unterkategorie wie "Audio" oder "Hi-Fi". Vergeblich. Eingrenzen kann ich die Auswahl nur geografisch: Ich wähle also den Standort Wien aus.

Ich gehe systematisch vor und klicke auf den ersten Webshop. Im 14. Bezirk verkauft jemand Flaschengärten, die schauen aus wie kleine Ökosysteme in einer verschlossenen Flasche und sind zugegebenermaßen sehr hübsch und beeindruckend. Aber halt kein Bluetooth-Lautsprecher.

Namenlos und orientierungslos

Ich klicke durch weitere Ergebnisse: ein Geschäft für Fotozubehör, eines für Infrarotheizungen, ein Lampengeschäft. Ob ich nun einen Lautsprecherhändler gefunden habe oder nicht, erfahre ich erst nach einem Klick – denn die meisten Shops sind ohne Foto und mit nicht allzu sprechenden Namen wie "MLINE" oder dem Namen des Inhabers im System hinterlegt.

Selbst wenn ich ein Elektrogeschäft gefunden habe, lande ich oft erst über Umwege in einem echten Onlineshop und kann dort weitersuchen, sofern es kein Kosmetikhändler ist. Zum Glück verschwende ich hier nur meine Arbeitszeit.

Vintage-Mäntelchen für Hunde

Aber gut, es soll ein realistischer Test sein – wie wir alle aus eigener Erfahrung wissen, sind Internetnutzer die geduldigsten Menschen und geben einer benutzerunfreundlichen Website oft drei, vier oder mehr Chancen. Ich begebe mich also auf die Suche nach dem wichtigsten Weihnachtsgeschenk: dem für meinen Hund. Das sollte "Kaufhaus Österreich" auch hinbekommen, immerhin gibt es eine eigene Kategorie "Tierbedarf".

Die rufe ich auf, ignoriere das Fischfuttergeschäft aus Klosterneuburg und klicke interessiert auf den Secondhand-Shop aus Graz: Vielleicht stünde meinem Hund so ein schickes Vintage-Mäntelchen ja ganz gut. Doch "BeThrifty" enttäuscht mich: Dort gibt es nur Kleidung und Accessoires für Menschen.

Achterbahn der Gefühle

Tatsächlich finde ich dann, neben allerlei unpassenden Geschäften, auch viel Hundezubehör. Die edel verpackten "Biscotti al Tonno" aus Salzburg merke ich mir vor. Weiter unten stoße ich auf einen Unternehmensberater, der ein bisschen ausschaut wie ein jüngerer Otto Schenk. Ich glaube aber nicht, dass sich mein Hund selbstständig machen will.

Mittlerweile ist eine Stunde vergangen, und alles, was ich bis jetzt erfolgreich kaufen konnte, ist der ferngesteuerte Hubschrauber für meine Oma. Das "Kaufhaus Österreich" finde ich ähnlich frustrierend und nervenaufreibend wie einen normalen Geschenkeeinkauf – mit dem Unterschied, dass man nie dort landet, wo man geglaubt hätte zu landen. Als würde man in der Fußgängerzone ein Schuhgeschäft betreten, nur um dort italienische Thunfischleckerlis für Hunde zu finden. Eine Achterbahn der Gefühle.

Subversion, Satire, Scheitern?

Wobei man zugeben muss, dass man im "Kaufhaus Österreich" auch vieles findet, was man nicht gesucht hätte. Eine Stress-Wurst zum Beispiel. Und der Vintage-Shop in Graz, den ich auf der Suche nach Hundezubehör gefunden habe, schaut tatsächlich ziemlich cool aus. Aber solche Zufallsfunde waren wohl wirklich nicht die Absicht hinter diesem österreichischen Onlineshop.

Die Erklärungsversuche für dieses Debakel in sozialen Medien sind ja mannigfaltig: vielleicht ein Satireprojekt? Ein subversiver Versuch, uns und unserem Konsumverhalten den Spiegel vorzuhalten? Es sind schöne Ideen, aber ich fürchte, "Kaufhaus Österreich" ist ernst gemeint. Die Satireaktion können die Verantwortlichen ja nächstes Jahr probieren. (Sebastian Fellner, 1.12.2020)