In Abwandlung des Titels dieses Userblogs möchte ich die Frage stellen, ob der zukünftige US-Präsident eine aktive Friedenspolitik betreiben wird und wie er es mit der immer wieder aufflackernden Versuchung der USA zu militärischen Interventionen hält. Obwohl die USA stolz behaupten, sie seien nie eine Kolonialmacht gewesen, im Gegenteil hätten sie ja gegen den Kolonialherrn England revoltiert, stimmt das so nicht. Vor allem haben sie sich den amerikanischen Kontinent mit Gewalt erobert und die indigene Bevölkerung vertrieben. Sie haben auch einen Kolonialkrieg gegen die Philippinen geführt. Vor allem aber haben sie immer wieder militärische Interventionen unternommen, zum Teil in Nachfolge von Kolonialmächten wie in Vietnam. Sowohl der Krieg in Afghanistan – und schon vorher die Unterstützung der Taliban gegen die Sowjetunion – als auch der Irak-Krieg, den George W. Bush begann, waren Ausdruck einer imperialen Haltung und einer Neigung zur Durchsetzung eigener Interessen durch das Militär.

Dabei wurde den Interventionen oft ein irreführendes Mäntelchen umgehängt. So wurde der Irak-Krieg mit der Suche nach Massenvernichtungswaffen begründet, und man wollte dem Mittleren Osten die Demokratie bringen – mit Bomben! Präsident Obama war dann angesichts der desaströsen Folgen dieser Interventionen schon vorsichtiger, was ihm aber im Falle Syriens den Vorwurf der Inaktivität einbrachte. Trump war entgegen vielen Erwartungen und seinen aggressiven Reden militärischen Interventionen gegenüber abgeneigt. Er wollte "deals", und die wollte er mit wirtschaftlichen Angeboten, vor allem mit wirtschaftlichem Druck erreichen. Erreicht hat er allerdings nicht viel. Weder im Falle von Nordkorea noch bezüglich Iran konnte er Ergebnisse erzielen, und auch China konnte er nicht in die Knie zwingen. Und bezüglich der Durchsetzung von Menschenrechten dachte er nicht an Interventionen, weil Menschenrechte ihm als solche ohnedies kein Anliegen waren. Insofern hatte er es leichter. Er verbrüderte sich lieber mit Potentaten und Autokraten, vor allem wenn ihm dies Vorteile brachte, nicht zuletzt wenn er Kriegsmaterial verkaufen konnte wie im Fall Saudi-Arabiens. Dabei unterstützte er auch den Krieg in Jemen, allerdings ohne seine Hände schmutzig zu machen und amerikanische Soldaten in den Krieg zu schicken.

Biden auf schwierigem Terrain im Nahen Osten

Der zukünftige Präsident Joe Biden hat es da schwieriger. Er ist als langjähriger Senator und zweimaliger Vizepräsident unter Obama in einer anderen Tradition "aufgewachsen". Da galt es immer wieder, über militärische Interventionen, also über Kriegseintritte, zu entscheiden. Und manchmal stand er auf der falschen Seite, so als er für den Irak-Krieg votierte, wie übrigens auch Hillary Clinton. Biden meinte sogar, die militärische Intervention sei ein "Marsch zum Frieden und zur Sicherheit". Grundsätzlich ist er überzeugt, dass die USA dazu befugt und berufen sind, Demokratie und Menschenrechten im Notfall auch mit Waffen durchzusetzen. Allerdings – so ist zu hoffen – haben Biden und sein zukünftiges Team auch aus ihren Erfahrungen gelernt. So hat der zukünftige Außenminister Anthony Blinken – gemeinsam mit anderen Außenpolitikern aus der Obama-Administration – in einem offenen Brief seine ursprüngliche Unterstützung für den Krieg der Saudis in Jemen zurückgezogen. Sie wollten keinen Blankoscheck für Saudi-Arabien und seine Koalitionspartner ausstellen, aber das ist passiert, und daher forderten sie ein Ende der US-Unterstützung für diesen Krieg: "Wir haben erfolglos eine bedingungslose Unterstützung für die Koalition versucht. Die jetzige Administration hat den Unsinn der bedingungslosen Unterstützung bewiesen. Daher müssen wir jetzt jegliche Unterstützung beenden." Ich frage mich allerdings, wie man so naiv sein konnte, Saudi-Arabien in diesem Krieg überhaupt zu unterstützen.

Was nun das Nuklearabkommen mit dem Iran (JCPOA) betrifft, bleiben Biden und Blinken bei ihrer positiven Einschätzung. Blinken meinte sogar Präsident Trump, sollte sich dieses Abkommen als Beispiel für die Verhandlungen mit Nord Korea nehmen. Die grundsätzliche Frage, die sich dem neuen US-Team stellen wird, ist wie sie mit der Koalition der Saudis, der Emirate und Israel gegen den Iran umgehen möchte. Schon jetzt organisieren diese Länder eine starke Opposition gegen eine "Aufweichung" der harten Trump Linie gegen den Iran. Das bewusst von Netanyahu öffentlich gemachte "Geheimtreffen" zwischen ihm, dem saudischen Kronprinzen und Noch-Außenminister Pompeo und auch die Ermordung eines führenden iranischen Atomwissenschaftler sind deutliche Warnungen dieser Anti-Iran-Koalition an Biden und Blinken. Sie wollen den Iran provozieren, um Verhandlungen zwischen den USA und dem Iran unmöglich zu machen. Wenn Trump wo erfolgreich war, dann war es die Stärkung dieser israelisch-arabischen Anti-Iran-Front. Diese Politik hat ihm im Lager der Evangelikalen Stimmen gebracht und zusätzliche Waffenverkäufe garantiert. Sicher wird vor allem Netanjahu in den USA gegen den Wiedereintritt der USA in das Iran-Abkommen ankämpfen und somit dem neuen Präsidenten Schwierigkeiten bereiten. Es wird schwierig für Biden werden, nach dieser Politik der "verbrannten Erde" durch Netanjahu und Co konstruktive Gespräche mit dem Iran zu führen.

Bidens Präsidentschaft wird keine leichte sein.
Foto: CHANDAN KHANNA / AFP

Biden und die Großmächte

Trump hat sich gegen Russland, vor allem gegenüber Präsident Putin, sehr zurückgehalten. Zwar verhängte auch er Sanktionen, vor allem aber Sanktionen, die europäische Verbündete wie zum Beispiel Deutschland in Schwierigkeiten brachten. Dazu zählt vor allem der Sanktionsbeschluss gegen die Pipeline Nord Stream II, die von Russland kommend unter Umgehung der Ukraine nach Deutschland führt. Allerdings sind die Demokraten genauso gegen diese Pipeline eingestellt wie die Republikaner. Und was Russland generell betrifft, so kritisierte der zukünftige Außenminister Blinken Präsident Trump, dass er Putin umarme, statt ihn mit einer klaren amerikanischen Haltung zu konfrontieren. Jedenfalls wird die neue Administration die Nato stärken und nicht für obsolet erklären, aber genau dafür auch einen höheren finanziellen Beitrag der europäischen Partner verlangen. Wo wir aber durchaus eine friedensorientierte Haltung des US-Präsidenten erwarten können, ist die Frage der Abrüstung. Biden ist sicher bereit, mit Russland neue Abrüstungsgespräche zu führen, sowohl zur Verlängerung bestehender Abkommen als auch, um neue abzuschließen. Allerdings braucht es dazu auch die Bereitschaft von Putin, und dieser schien recht glücklich zu sein, in Trump einen US-Präsidenten zu haben, der kein großes Interesse an Abrüstung hegte.

Ähnlich enttäuscht von der Wahl scheint auch der chinesische Präsident Xi Jinping zu sein. Er brauchte besonders lang, bevor er sich entschloss, Präsident Biden zum Wahlsieg zu gratulieren. Für ihn ging mit der Wahlniederlage von Trump ein klarer Gegner verloren, der in die chinesische Strategie bereits eingebaut war. Nun kommt Biden, der zusätzlich zum wirtschaftlichen Wettbewerb und der militärischen Konkurrenz im Südchinesischen Meer auch Argumente der Demokratie und der Menschenrechte in die Auseinandersetzungen mit China einbringen wird. Auch Trump hat – nach anfänglichem Zögern – das Verhalten der chinesischen Behörden in Hongkong kritisiert. Aber für ihn war das bloß ein Anlass, China zu ärgern und neue Sanktionen zu verhängen. Für Biden und sein Team sind Verletzungen der Menschenrechte keine lässlichen Sünden, sondern grundsätzliche Störungen der internationalen liberalen Ordnung. Sie sind als solche zu bekämpfen.

Demokratie, Moral und Macht.

Der Durchsetzung von Menschenrechten dient auch die von Biden schon fürs nächste Jahr angekündigte "Konferenz der Demokratien". Unter der moralischen Führung der USA sollte diese Koalition Autokraten wie in China und Russland entgegentreten. Allerdings warnen auch US-amerikanische Expertinnen und Experten davor, den Konflikt mit China moralisch beziehungsweise ideologisch aufzuladen. Man sollte ihn als Auseinandersetzung zwischen einer bestehenden und einer wachsenden Großmacht sehen und nicht als eine zwischen zwei feindlichen ideologischen Systemen. Dennoch, die USA werden auch unter Biden die Auseinandersetzung mit China als einen Schwerpunkt ihrer Außenpolitik sehen. Dazu werden sie auch die Beziehungen mit Indien als dem großen asiatischen Rivalen von China stärken. Allerdings passt der derzeitige indische Regierungschef mit seiner offensichtlichen Politik der Diskriminierung eines Teils seiner Bevölkerung nicht zu der globalen demokratischen Elite – ebenso wenig wie einige europäische Autokraten. Es wird nicht leicht sein, eine solche Versammlung von Demokratien und Demokraten auf die Beine zu stellen, wie sie dem zukünftigen Präsidenten vorschwebt.

Die Vermischung von pragmatischer Machtpolitik mit moralischen Ansprüchen zeigt das ganze Dilemma der US-Politik. Trump, wie schon erwähnt, entging diesem Dilemma, indem er sich nur auf die Machtpolitik konzentrierte und auf wirtschaftliche Vorteile setzte. Autokraten von Brasilien bis Russland schätzten das, weil sie ähnlich dachten beziehungsweise denken. Manche allerdings, so wie Putin, handelten auch militärisch und nutzten die Absenz und Abstinenz der USA vom demokratiepolitischen Diskurs aus. Auch die EU steht vor diesem Dilemma, allerdings geht es bei ihr nicht um die Frage von militärischen Interventionen. Für die EU stellt sich vielmehr die Frage, ob der Ausbau von Handel und von finanziellen Unterstützungen auch von der Einhaltung von Menschenrechten abhängig gemacht werden sollte. Jedenfalls wird man gespannt sein, wie die neue US-Administration – hoffentlich im Dialog mit den Verbündeten – das Dilemma zwischen Vernachlässigung der Menschenrechte einerseits und einer zwangsweisen Umsetzung der liberalen, parlamentarischen Demokratie anderseits löst. Wobei aus aktuellem Anlass auch die Art der US-Demokratie und der Präsidentschaftswahl hinterfragt werden könnte. Viel spricht jedenfalls für Vorsicht, wenn die USA den Anspruch als moralische Führungsmacht erheben. Es ist gut, die Amoralität eines Trump hinter sich zu lassen, aber Moral zur Grundlage militärischer Planungen und Aktionen zu machen kann brandgefährlich werden. In der Tat haben die meisten der militärischen Interventionen nicht ein Mehr an Demokratie bewirkt, sondern Chaos und neue, oft schlimmere Regimes an die Macht gebracht. Ich hoffe, Biden und sein Team bedenken diese Folgen militärischer Interventionen. Dazu gibt es genug Analysen auch von amerikanischer Seite.

Klimapolitik als Friedenspolitik

Wo wir Europäer aber große Hoffnungen auf den neuen Präsidenten setzen können, ist die Klimapolitik. Mit dem ehemaligen US-Außenminister John Kerry als Klimabeauftragtem hat Biden einen hochrangigen Vertreter für die internationale Klimastrategie ernannt. Und Klimapolitik ist auch Friedenspolitik. Nicht wenige Konflikte haben ihren Ursprung – zumindest auch – in klimatischen Verwerfungen und Katastrophen wie Dürren, Verwüstungen von Uferzonen et cetera. So war die Wasserknappheit eine der Ursachen für die Revolte in Syrien, die dann zu einem fürchterlichen Krieg führte. Wenn Klimapolitik erfolgreich sein soll, dann muss sie auch global angelegt sein. Das heißt vor allem, dass China eingebunden werden muss. China ist absolut gerechnet der größte Emittent von Treibhausgasen, die USA sind das pro Kopf. China entwickelt seit einiger Zeit eine umfassende Klimastrategie, so sind nach neuen Statistiken die chinesischen Umweltinvestitionen weit höher als die der USA. Auf der anderen Seite hat China aber noch immer ein großes nationales und internationales Ausbauprogramm für Kohlekraftwerke. China, die USA und die EU könnten geneinsam eine aktive und überzeugende globale Klimastrategie entwickeln und umsetzen, das wäre dann auch eine entscheidende Friedensstrategie.

Die Klimapolitik hängt aber auch mit einer aktiven Politik der Unterstützung der Entwicklungsländer zusammen. Trump hatte diesbezüglich kaum Initiativen gesetzt. Und die er unternommen hat, gingen in die falsche Richtung. So hat er auf Druck der radikalchristlichen Evangelikalen jegliche Unterstützung von Maßnahmen der Geburtenkontrolle, die Abtreibungen umfassten, untersagt. Es ist grundsätzlich zu hoffen, dass diese "politische Religion" – um einen in Österreich allerdings einseitig gebrauchten Religionsbegriff zu verwenden – zurückgedrängt wird und nicht weiter von der US-Regierung unterstützt wird. Jede Bestimmung der Politik durch noch dazu intolerante religiöse Auslegungen ist gefährlich. Aber zurück zur Klimapolitik. Erst kürzlich hat eine Studie von McKinsey klar belegt, dass die Klimaschäden vor allem die Ärmeren und damit vorrangig die ärmeren Länder belasten. Und das führt unweigerlich zu innerstaatlichen oder auch grenzüberschreitenden Konflikten. Klimapolitik ist damit eindeutig Friedenspolitik, weil sie hilft, Konflikte und Kriege zu vermeiden. Und diesbezüglich gibt es berechtigte Hoffnung auf eine aktive Biden-Präsidentschaft. (Hannes Swoboda, 2.12.2020)