"Solche Fehler führen zur Verfassungswidrigkeit des Gesetzesbeschlusses", richtet Bundespräsident Van der Bellen dem Kanzler per Brief aus.

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In ungewöhnlicher Härte wendet sich Bundespräsident Alexander Van der Bellen an Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP) in einem Schreiben, datiert mit 30. November. Konkret weist er darin auf die neuerliche Panne beim sperrig benannten Bundesfinanzrahmengesetz vom 19. November hin. Nach fehlenden Nullen im Frühjahr war es diesmal eine fehlende Unterschrift – fünf waren nötig –, die den Budgetprozess verzögerte.

Van der Bellen resümiert: "Der in Rede stehende Gesetzesbeschluss ist nicht nur fehlerhaft, sondern er ist verfassungswidrig." Nach einem Gespräch mit dem früheren Verfassungsgerichtshof-Präsidenten Ludwig Adamovich sei der Bundespräsident zu dem Ergebnis gekommen, "dass ich das verfassungsmäßige Zustandekommen dieses Gesetzes nicht beurkunden kann".

"Solche Fehler führen zur Verfassungswidrigkeit"

"Dieser Gesetzesbeschluss ist unter Annahme eines (...) nicht ausreichend unterstützten Abänderungsantrages (...) fehlerhaft zu Stande gekommen, wie dem Nationalrat selber bewusst ist", schreibt Van der Bellen. Grundsätzlich sei der Nationalrat für Fehler beim Gesetzgebungsverfahren, die die Geschäftsordnung verletzen, selbst zuständig.

Dieses Prinzip ende aber, wenn es sich um die Verletzung von Elementen der Geschäftsordnung handelt, "die sichern sollen, dass in den Gesetzesbeschlüssen die wahre Meinung der Mehrheit des Nationalrates zum Ausdruck kommt. Solche Fehler führen zur Verfassungswidrigkeit des Gesetzesbeschlusses."

Van der Bellen weist darauf hin, dass die Unterstützungsregel in der Geschäftsordnung verhindern soll, "dass von einer ganz kleinen Zahl von Abgeordneten Abänderungsanträge gestellt werden. Es geht also nicht um eine bloße Ordnungsvorschrift, sondern um eine solche, die von wesentlichem Einfluss auf das parlamentarische Verfahren ist."

Den Reparaturbeschluss des Bundesfinanzrahmens vom 26. November beurkundete Van der Bellen, wie aus dem Brief hervorgeht. Eine Durchschrift des Schreibens ging auch an Nationalratspräsident Wolfgang Sobotka (ÖVP). (jan, fsc, 1.12.2020)