Spazieren gehen im Freien statt tratschen im Kaffeehaus: Corona hat die Freizeitgestaltung der Österreicher verändert. Sie schätzen ihre Lebensqualität nach wie vor positiv ein.

Foto: APA/HELMUT FOHRINGER

Angesichts der massiven Einschnitte im heurigen Corona-Jahr mag die Antwort verblüffend klingen: Bisher hatte 2020 – zumindest statistisch gesehen – keinen Effekt auf die allgemeine Lebenszufriedenheit in Österreich. Das legen von der Statistik Austria erhobene Zahlen nahe, die jährlich von einem Expertengremium ausgewertet werden. "Wie geht's Österreich?" lautet die zentrale Frage der Erhebung.

Bei Wohlstand und Lebensqualität stand Österreich vor der Krise "exzellent" da, erklärte Statistik-Austria-Generaldirektor Tobias Thomas am Dienstag in einem virtuellen Pressegespräch. Er ist überzeugt: Nach der Pandemie wird das Land wieder auf einen grünen Zweig kommen.

Bei der seit 2013 jährlich erstellten Studie wird nicht nur das Bruttoinlandsprodukt (BIP) unter die Lupe genommen, sondern insgesamt 31 Indikatoren, die zeigen sollen, wie es den Menschen im Land geht. Dabei werden nicht ausschließlich objektive Daten erhoben, erklärte Wifo-Chef Christoph Badelt, auch subjektive Indikatoren werden abgefragt. Für ein umfassendes Bild reiche das BIP als Messlatte nicht aus, sagte der Wirtschaftsforscher sinngemäß: "Es ist fast übertrieben, wie sehr man an dieser einen Zahl hängt."

Foto: APA

Bei der Lebenszufriedenheit gab es in Österreich 2019 im Vergleich zum Jahr davor erneut einen leichten Anstieg, hieß es am Dienstag. 40 Prozent der Befragten bewerteten ihre Lebensqualität auf einer Skala von null bis zehn mit neun oder zehn. Der Mittelwert lag bei acht. Im EU-Vergleich sind nur Finnen und Iren mit dem eigenen Leben zufriedener. Österreich sei hier "absoluter Spitzenreiter", wie Thomas es formulierte.

Bei der Befragung nach der Zufriedenheit wird nicht der aktuelle Zustand abgefragt, sondern der breitere Kontext, hieß es am Dienstag. Das könnte also erklären, wieso die Zufriedenheit der Österreicher auch heuer hoch ist. Die Daten wurden von März bis Juli 2020 erhoben, also während des ersten Lockdowns und unmittelbar danach.

Auch die subjektive Einschätzung des Gesundheitszustands liegt über dem EU-weiten Durchschnitt: Sieben von zehn Österreichern schätzen ihre Gesundheit als gut oder sehr gut ein.

Auswirkungen der Covid-Krise

In Kaufkraftstandards in das BIP pro Kopf in den vergangenen Jahren laut Thomas gewachsen. Mit 40.320 Euro lag der nominelle Wert in Österreich weit über dem EU-weiten Schnitt von 32.000 Euro. Besser schnitten nur Luxemburg, Irland, Dänemark und die Niederlande ab. Die Auswirkungen der Corona-Krise zeigen sich am BIP pro Kopf deutlich: Dieses ist im zweiten Quartal im Vergleich zum Vorjahreszeitraum um 14,3 Prozent zurückgegangen, im dritten um rund vier Prozent. Bei der Arbeitslosenquote gab es in den vergangenen Jahren einen "recht guten Verlauf", wie Thomas erklärte.

Noch nicht quantifizierbar sind laut dem Statistiker die Auswirkungen der Pandemie auf das verfügbare Einkommen privater Haushalte. Ein Fünftel der Befragten gab allerdings an, dass ihr Haushaltseinkommen während der vergangenen zwölf Monate weniger wurde. Dieses betrug pro Kopf zuletzt rund 28.000 Euro – und lag damit deutlich über dem EU-Schnitt von 23.500 Euro. In Sachen Einkommensungleichheit stehe Österreich in Europa "recht gut da", sagte Thomas. Seit 2008 habe sich die Schere nicht weiter geöffnet.

Schlechte Klimabilanz

Eine schlechte Entwicklung gab es hingegen im Umwelt- und Klimabereich. Zwar seien die Treibhausgasemissionen im Land ab 2005 eine Zeitlang zurückgegangen, seit 2010 gebe es allerdings eine Seitwärtsbewegung, erklärte Thomas. "Österreich liegt nicht auf dem EU-Zielpfad." Rund 9,2 Tonnen CO2-Äquivalente emittiert jeder Mensch in Österreich jährlich. Durch Corona wird es zwar insgesamt einen Einbruch geben – die Forscher rechnen mit einem Minus von 7,1 Prozent im Vergleich zum Vorjahr –, das ändert aber nichts am langjährigen Trend.

Vor allem im Verkehrsbereich steigen die Emissionen deutlich an. Der Energieverbrauch in dem Sektor liegt weit über dem EU-Schnitt. "Das ist einer der schwierigsten Bereiche", sagte Badelt. "Da kann ich als Politiker nicht sagen: Aha, so ist das, da mache ich nichts."

Der Wifo-Chef sieht den Schlüssel zur Klimapolitik in der Kostenwahrheit bei Emissionen. Neben einer Bepreisung seien auch Alternativen notwendig, damit Menschen sich umweltfreundlich verhalten können. Kurz gesagt: Die Regierung dürfe nicht nur Treibstoffe teurer machen, ohne die Möglichkeit zu schaffen, auf Öffis umzusteigen. (lauf, 1.12.2020)