Weil das Verfahren im Labor funktioniert, soll in den kommenden Monaten ein Prototyp für die Massenfertigung hergestellt werden.
Foto: TU Wien

Wien – Ein an der Technischen Universität (TU) Wien entwickelter neuartiger Ansatz verspricht einen großen Fortschritt in der Diagnose einer Sars-CoV-2-Infektion: Ein Team um Peter Ertl, Leiter der Cell-Chip-Forschungsgruppe am Institut für Chemische Technologien und Analytik der TU Wien, stellte einen Biochip vor, der in nur wenigen Minuten selbst kleinste Virenmengen nachweisen können soll. Verfügbar könnte der laut der Uni "schnellste Corona-Test der Welt" ab Mitte kommenden Jahres sein.

Bisherige Corona-Schnelltests beruhen auf bekannten Nachweisverfahren, wie sie auch schon für andere Viren verwendet wurden. Der nun präsentierte Ansatz funktioniert dagegen nach einem veränderten Messprinzip. Die Methode kann deutlich schneller ein Ergebnis liefern als bisher, außerdem ist sie extrem sensitiv: Drei bis fünf Viren sollen bereits genügen, um verlässlich ein Signal zu erzeugen, so die TU-Forscher. Die Gefahr von falsch-negativen Ergebnissen werde dadurch minimiert.

Vielleicht noch schneller

In Zusammenarbeit mit einem Krankenhausbetreiber "ist es uns vor allem darum gegangen, wirklich keine falsch-negativen Tests zu produzieren", sagt Ertl. Es gehe also darum, auch Menschen mit sehr niedriger Virenlast sehr schnell zu identifizieren. Das neue Verfahren wurde bereits zum Patent angemeldet.

Einige Monate Entwicklungszeit werden bis zum marktreifen Prototyp noch vergehen. Bis dahin könnte die Methode sogar noch schneller werden, so Ertl. Danach, so hofft das Forschungsteam, könnte der Test etwa dazu verwendet werden, vor öffentlichen Veranstaltungen eine große Zahl von Personen in sehr kurzer Zeit mit hoher Zuverlässigkeit durchzutesten.

Biochip-Technologie: Gold und Silber bringen Strom zum Fließen

"Wir beschäftigen uns seit vielen Jahren mit Biochip-Technologien", sagt Ertl. "Dabei arbeitet man mit winzigen Flüssigkeitsmengen, die in den feinen Kanälen eines Biochips präzise gesteuert und untersucht werden können. Genau diese Technologien kann man nun verwenden, um einen hochsensitiven Corona-Schnelltest zu entwickeln."

Zunächst werden im Biochip passende Antikörper angebracht, die das gesuchte Virus festhalten können. Falls die untersuchte Probe Viren enthält, werden diese dort fixiert. Danach kommt eine weitere ganz spezielle Sorte von Antikörpern ins Spiel: Sie sind frei beweglich, allerdings mit einem Nanopartikel aus Gold versehen. Diese Antikörper binden an den fixierten Viren, jedes Virus wird somit durch ein winziges Stück Gold markiert.

Diese Markierung lässt man nun wachsen – und zwar mithilfe einer Silberlösung. Die Silberatome lagern sich am Gold an, und überall dort, wo sich ein Virus befindet, bildet sich ein Silberkomplex mit goldenem Kern. Nach kurzer Zeit ist diese Edelmetallstruktur so groß, dass sie einen elektrischen Kontakt zwischen zwei Elektroden herstellt. Plötzlich fließt Strom, eine Lampe leuchtet auf – und das ist der Beweis, dass sich zwischen den Elektroden ein Virus befunden haben muss.

Mehrere Vorteile

"Unsere Methode hat mehrere Vorteile gegenüber bisherigen Verfahren", sagt Ertl. "Bisherige Tests wertet man normalerweise durch bloßes Hinsehen aus: Irgendwo verfärbt sich ein Teststreifen. Bei einer sehr kleinen Zahl von Viren ist der Effekt möglicherweise zu klein, um wahrgenommen zu werden. Uns ging es darum, eine möglichst geringe Quote an falsch-negativen Ergebnissen zu haben. Auch geringste Mengen des Virus sollen nachgewiesen werden können. Dabei hilft unsere neue Methode sehr."

Der zweite große Vorteil ist, dass der Test extrem schnell funktioniert. Man benötigt keine Zusatzgeräte, der Chip selbst genügt. "Bisherige Tests dauern oft etwa zwölf Minuten. Das klingt nicht nach viel, aber wenn ich etwa vor einer großen Veranstaltung am Einlass alle Personen durchtesten will, wird das schwierig. Mit unserem Test kann das viel schneller gelingen."

Auch bei anderen Viren einsetzbar

Einige technische Details sind noch zu klären. Das Team hofft, in den nächsten Monaten einen praktikablen Prototyp zu entwickeln. Zuvor soll der Test noch mit rund 200 klinischen Proben und ebenso vielen Proben von Freiwilligen konfrontiert, mit PCR-Tests verglichen und die Ergebnisse dann in einer wissenschaftlichen Arbeit vorgestellt werden.

Das Verfahren wäre in der Folge aber auch auf andere Erreger wie etwa Ebola anwendbar. "Daran, dass die Biologie austauschbar ist, ist auch die Industrie interessiert", mit der man auch Gespräche führe, sagte Ertl. Je nachdem, wie rasch sich hier ein Firmenkonsortium bildet, könne die Entwicklung auch schneller vorangetrieben werden. Die bisherige Arbeit zu dem Corona-Test sei paradoxerweise bereits zweimal durch Corona-Lockdowns deutlich gebremst worden, so der Wissenschafter. (red, 1.12.2020)