Bild nicht mehr verfügbar.

In drei EL-Spielen hat Michael Liendl heuer vier Mal getroffen.

Foto: REUTERS/Francois Lenoir

Rückblick, Herbst 2003: Michael Liendl absolviert für den GAK seine ersten Bundesligaspiele, der Wolfsberger AC trudelt dem Abstieg in die fünfte Liga entgegen, Kurt Jara trainiert den Hamburger SV. Asien hat die Sars-CoV-1-Epidemie so gut wie überwunden. Seitdem ist viel passiert: Österreich hatte nach offizieller Zählweise acht Regierungen, der HSV feuerte 21 Trainer, zwei davon doppelt.

Eine Konstante ist Michael Liendls linker Fuß. Von Kapfenberg bis Enschede schlug der Vorarlberger butterweiche Flanken, spielte Zuckerpässe und trat unhaltbare Freistöße. Seit 2018 tut er das für den WAC, wo der 35-jährige Liendl den wohl größten Anteil am Erfolg des einstigen "Dorfklubs" hat – in der Bundesliga war er an 43 Prozent der Tore seines Klubs direkt beteiligt, das ist einsame Spitze.

"Klar ist die Bilanz richtig gut, das ist mir schon bewusst", sagt Liendl. "Aber du brauchst auch einen, der den Laufweg macht. Einen, der dir den Rücken freihält, du brauchst Jungs, die an einem Strang ziehen." Die gab es beim WAC in den letzten zwei Saisonen offenbar zur Genüge, dritte Tabellenplätze dienen als Nachweis. Da dieser zur Europa-League-Gruppenphase befähigt, tanzen Liendl und Co nun das zweite Jahr in Serie auf europäischem Parkett.

Parallelen

2019/20 starteten die Lavanttaler mit einem sensationellen Sieg (4:0 gegen Mönchengladbach) und einem beachtlichen 1:1 (gegen AS Roma), dann folgten zwei Niederlagen gegen Basaksehir Istanbul. Diesen Herbst starteten die Lavanttaler mit einem beachtlichen 1:1 (gegen ZSKA Moskau) und einem sensationellen Sieg (4:1 bei Feyenoord Rotterdam), dann folgten zwei Niederlagen gegen Dinamo Zagreb. "Es ist sehr kurios", sagt Liendl. "Wobei wir letztes Jahr in den letzten Spielen viel stärkere Gegner hatten."

Die Generalprobe für das möglicherweise vorentscheidende Auswärtsspiel am Donnerstag in Moskau (18.55 Uhr/live DAZN) ging daneben, der WAC verschenkte beim 1:1 gegen Ried spät den Sieg. "Es hat sich angefühlt wie eine 5:0-Klatsche, der Frust ist tief gesessen", sagt der Spielmacher. Der WAC liegt in der Tabelle auf Rang sieben. Was fehlt? "Die Kaltschnäuzigkeit und das Defensivverhalten. Wir sind momentan nicht in der Lage, ein 1:0 über die Runden zu bringen, weil wir in der letzten Linie zu viele Fehler machen." Vorn vermisst Liendl in den entscheidenden Situationen "die Überzeugung".

Der Herbst war im Ganzen nicht leicht für die Wolfsberger. Anfang November wurde das Team zum Corona-Cluster, praktisch der ganze Kader mitsamt Betreuern lieferte positive Tests ab. "Die ganze Situation war brutal schwer", sagt Liendl. Er selbst war unter den ersten acht Positiven und verpasste damit das Auswärtsspiel in Zagreb. Erst im Anschluss daran wurde der Großteil des Kaders positiv getestet. "Der ganze Verein liegt flach, du kannst nicht trainieren. Dann trainierst du drei, vier Tage, musst nach Altach reisen und ein Spiel spielen", sagt Liendl.

Auch ohne Trainingsrhythmus gewann der WAC die Partie 2:0. Altach-Trainer Alex Pastoor holte für Liendl sogar die Manndeckung aus der taktischen Mottenkiste. "Natürlich ist das nicht angenehm. Aber es werden Räume für andere Spieler frei – da kann er mir gerne bis aufs Klo nachrennen." Der Spielmacher lieferte trotzdem die perfekte Vorlage für beide Tore. Hätte er manchmal gerne mehr Hilfe? "Speziell wenn ich keinen guten Tag habe, müssen andere Spieler Verantwortung übernehmen. Das ist ein Lernprozess, aber da sind wir auf einem guten Weg", sagt er.

Auch international war Liendl bisher die alleinige Lebensversicherung des WAC. Er schoss fünf der zwölf Europacup-Tore seines Klubs selbst und lieferte den Assist zu drei weiteren. Zugegeben, da waren drei Elfer dabei, aber: "Die Elfmeter muss man auch mal reinschießen."

Nächster Halt

Man darf annehmen, dass Liendls Leistungen anderen Klubs nicht entgehen. Seine Spielweise sollte ihm noch einige gute Jahre erlauben, der Vertrag läuft im Sommer aus. Sieht er Potenzial für eine bessere Liga? "Warum nicht? Grundsätzlich weiß ich, dass ich über gute Qualitäten verfüge, die auch in anderen Ligen gesucht sind", sagt Liendl. Er habe immer gesagt, "dass ich für alles offen bin. Ich muss auch nicht zwingend den einfachsten Weg gehen." (Martin Schauhuber, 3.12.2020)

DER STANDARD

Technische Daten und mögliche Aufstellungen

Europa League, Gruppe K, 5. Runde:

ZSKA Moskau – Wolfsberger AC (Moskau, ZSKA Arena, Donnerstag, 18.55 Uhr/live DAZN, SR Dabanovic/MNE).

ZSKA: Akinfejew – Mario Fernandes, Diwejew, Magnusson, Zainutdinow – Dsagojew, Obljakow – Maradischwili, Vlasic, Sigurdsson – Tschalow

Ersatz: Torop – Wasin, Kotin, Schennikow, Bistrovic, Kutschajew, Achmetow, Tiknizjan, Ejuke, Schkurin, Gaich

Es fehlen: Bruno Fuchs (nach Hüftverletzung), Karpow (Nasenbeinbruch), Nababkin (Kreuzbandriss)

WAC: Kofler – Novak, Baumgartner/Rnic, Lochoshvili, Scherzer – Leitgeb – Taferner, Liendl, Wernitznig – Vizinger, Joveljic

Ersatz: Soldo, Kuttin – Pavelic, Peric, Giorbelidze, Stratznig, Sprangler, Peretz, Schmerböck

Es fehlt: Dieng (nach Krankheit)

Fraglich: Baumgartner (muskuläre Probleme in der Wade)