Wissenschaftsminister Heinz Faßmann und die grüne Wissenschaftssprecherin Eva Blimlinger streuten einander wechselseitig Rosen für die Verhandlung der Uni-Reform.

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Morgendliche Protestaktionen vor der Akademie der Wissenschaften an der Wiener Wollzeile sind ungewöhnlich. Doch am Dienstag wurden dort von Wissenschaftsminister Heinz Faßmann (ÖVP) und der grünen Wissenschaftssprecherin Eva Blimlinger die Eckpunkte der Novelle des Universitätsgesetzes (UG) vorgestellt, das nun bis 15. Jänner begutachtet wird.

Die Initiative "Bildung Brennt" protestiert gegen die Vorhaben der Regierung zu den Unis.
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Bei den Aktivisten der Initiative "Bildung brennt" stoßen die neuen Regelungen auf Ablehnung: "Nein zum neuen Universitätsgesetz" war auf mehreren Plakaten zu lesen, im Internet läuft bereits eine Petition gegen die türkis-grünen Vorhaben.

Hürden am Studienanfang

Der am heißesten diskutierte Punkt der Novelle drang bereits vor einer Woche an die Öffentlichkeit, es handelt sich um die Pflicht zu einer Mindeststudienleistung. Binnen der ersten vier Semester eines Bachelor- und Diplomstudiums müssen Studierende künftig 24 ECTS-Punkte erlangen. (Zur Orientierung: Ein ECTS-Punkt sollte einen Aufwand von 25 Stunden widerspiegeln). Wer unter dieser Schwelle bleibt, verliert die Zulassung zu diesem Studium an der betreffenden Uni für zehn Jahre. Die Regelung soll für neu inskribierte Studien ab dem Wintersemester 2021 gelten. "Keiner will die Studierenden sekkieren", sagte Faßmann, doch die Unis bräuchten mehr Planbarkeit, daher könne man von Studierenden erwarten, dass sie durch Leistungsnachweise ihr "Interesse an einem Studium deklarieren".

Eine Schätzung, wie viele Studierende vom Unterschreiten der 24-ECTS-Schwelle betroffen sein könnten und welche Kosten sich die Unis durch deren Studien-Aus ersparen könnten, wollte der Minister nicht abgeben. Durchaus kurios nahm sich Faßmanns kalmierender Hinweis aus, wonach "andere Stakeholder" im Vorfeld eine höhere ECTS-Pflicht gefordert hatten – tatsächlich war es sein Ministerium höchstselbst, das auf eine veritable Hürde von 16 ECTS-Punkten pro Jahr und Studium gedrängt hatte.

Mehr anrechnen

Die grüne Verhandlerin Eva Bilmlinger machte keinen Hehl daraus, "keine Freude" mit der Mindeststudienleistung zu haben. Im Gegenzug soll es aber künftig leichter möglich sein, schulische Vorqualifikationen (etwa von einer HTL oder HAK), berufliche Qualifikationen sowie Praktika in Form von ECTS-Punkten anzurechnen. Das Höchstmaß für Anrechnungen solle insgesamt 90 ECTS-Punkte betragen, das wäre die Hälfte eines Bachelorstudiums. Damit nehme man auf die Tendenz zu einer "völligen Änderung der Lebensrealität von Studierenden" Rücksicht, die sich etwa an der parallelen Berufstätigkeit zeige.

Für semesterweise Beurlaubungen vom Studium bleibt weiter ein triftiger Grund (z. B. Zivildienst, Angehörigenpflege) nötig, allerdings kann man dies künftig auch noch während des Semesters beantragen – die bis dahin absolvierten Prüfungen verfallen nicht.

Für Studierende in einer fortgeschrittenen Phase ihres Studiums – nach Erlangung von 100 ECTS-Punkten – soll es künftig die Option eines "Learning-Agreements" geben. Im Abtausch gegen bestimmte Leistungsnachweise sollen diese Studierenden bevorzugt in Lehrveranstaltungen aufgenommen werden oder allfällige Studienbeiträge zurückerstattet bekommen.

Abkupfern verjährt

Auf Ebene der Leitungsgremien sieht die Novelle Machtverschiebungen vor. Bisher brauchte ein Rektor für eine neuerliche (vierjährige) Amtszeit sowohl eine Zweidrittelmehrheit im Universitätsrat als auch eine Zweidrittelmehrheit im Senat. Letztere soll bei der ersten Wiederwahl künftig entfallen, der Senat wird nur mehr "angehört". Im Senat sitzen zur Hälfte Professoren und zu je rund einem Viertel Vertreter der Studierenden und des akademischen Mittelbaus. Die Senatsvertreter laufen gegen die Reform Sturm und orten einen Abbau universitärer Demokratie. Die Uni-Räte rekrutieren sich zwar auch zur Hälfte aus dem Senat, die andere Hälfte wird allerdings von der Bundesregierung bestellt. Faßmann hält das Szenario eines politischen Durchgriffs auf Rektoren und Unis allerdings für "Propaganda", wie er sagte.

Für Plagiate wird eine Verjährungsfrist von 30 Jahren eingeführt, bisher gab es keine Verjährung vorgetäuschter akademischer Leistungen. Um schärfer gegen Ghostwriting vorzugehen, wird eine Strafbestimmung auch für die Anbieter eingeführt. Bisher gab es nur Strafen für die Annehmer der fremden Federn. Auf gewerbsmäßiges Ghostwriting soll eine Geldstrafe von bis zu 60.000 Euro stehen.

Schließlich werden offiziell geschlechtsspezifische Titel möglich: Auch auf Urkunden kann damit war – jeweils hochgestellt – eine Frau "Mag.a" oder ein "Dipl.-Ing.x" für das dritte Geschlecht geführt werden. (Theo Anders, 1.12.2020)