Erinnert sich noch jemand an die Eurokrise? 2010 krachte es gewaltig im Gebälk der Währungsunion. Erst drohte Griechenland unter der Schuldenlast zu ersticken. Dann wackelten auch Irland, Portugal und Zypern. Selbst massive Hilfen der Eurozone und des Internationalen Währungsfonds konnten die Ausbreitung des Flächenbrands nicht verhindern. Spanien und Italien rauchten bereits. Erst die unbegrenzte Löschkraft der Europäischen Zentralbank brachte Erfolg.

Die Eurozone befindet sich inmitten der nächsten großen Krise.
Foto: imago/McPHOTO

Gut zehn Jahre nach Beginn der Turbulenzen befindet sich die Eurozone inmitten der nächsten großen Krise. Im Unterschied zu 2010 wird der Währungsblock unverschuldet von der Pandemie heimgesucht. Und im Unterschied zu damals sind die Euroländer auch viel besser auf den Schock vorbereitet. Das gilt vor allem für das Bankenwesen, das sich in der Finanzkrise als Achillesferse entpuppte. Deutlich höhere Kapitalpuffer und eine gemeinsame Aufsicht über große Banken haben die Stabilität des Finanzsystems erhöht. Und es gibt da, sollte doch etwas schiefgehen, noch einen Abwicklungsfonds.

Er wird von den Finanzinstituten gespeist und soll die Kosten decken, die bei einem Kollaps einer Bank übrig bleiben. Davor werden die Gläubiger und Aktionäre zur Kasse gebeten. Dieser Abwicklungsmechanismus kann getrost als Eckpfeiler der Bankenunion bezeichnet werden. Er sendet nämlich schon im Vorfeld einer Schieflage ein wichtiges Signal: Aktionäre, Kreditgeber oder Anleihegläubiger tragen ein Risiko, wenn sie einer Bank vertrauen. Staaten und damit die Steuerzahler werden – anders als ab 2008 – nicht mehr in die Bresche springen, wenn ein Kartenhaus zusammenbricht.

Paradigmenwechsel

Ein großer Mangel beim postulierten Paradigmenwechsel ist die geringe Ausstattung des Abwicklungsfonds: Bis zu 60 Milliarden Euro klingen zwar nach viel, doch ein Blick in die Bilanzen der größeren Banken zeigt, dass mit dem Geld keine großen Zombies begraben werden können. Deshalb einigte sich die Eurozone nun darauf, dass ab 2022 der Europäische Stabilitätsmechanismus (ESM) einspringen darf. Er kann Kredite an den Bankenfonds vergeben, damit die Beerdigung auch bezahlt werden kann.

Dass die seit drei Jahren diskutierte Regelung nun verabschiedet wurde, ist ein gutes Zeichen mit schalem Beigeschmack. Die Pandemie, die von ihr ausgelöste Rezession und die drohende Pleitewelle werden die Banken nicht ungeschoren lassen. Sie sind zwar in der Regel recht stabil aufgestellt, aber selbst Geldinstitute haben keinen Bankomat, mit dem sie riesige Kreditausfälle begleichen könnten. Die Eurozone hat also aus Sorge um die Stabilität des Finanzsystems aufs Tempo gedrückt.

Das heißt in weiterer Folge aber auch, dass erst recht wieder die Staaten für die Banken haften, stehen doch sie hinter dem ESM. Das stellt nicht gerade eine Ermunterung dar, die Risiken zu minimieren. Dazu gesellt sich ein weiterer Fehlanreiz, nämlich Gläubiger und Abwicklungsfonds nicht allzu sehr zu strapazieren und dafür den ESM bluten zu lassen.

Auch wenn die Eurozone mit dem neuen Baustein ihre Stabilität erhöht, tut sie das nicht zum Nulltarif. Erst bei einem größeren Zusammenbruch wird sich zeigen, wie stark sich Kapitalgeber und Bankenfonds an den Aufräumkosten beteiligen müssen – oder ob die Verluste wieder einmal verstaatlicht werden. (Andreas Schnauder, 1.12.2020)