Die Salzburger Gemeinde Annaberg machte am Dienstag den Anfang mit den Corona-Massentests. Seit Mitternacht kann man sich auch für Testungen in Wien anmelden.

Foto: APA / Barbara Gindl

Public-Health-Experte Hans-Peter Hutter (Med-Uni Wien) warnt vor falschen Erwartungen an die Massentests.

Foto: APA / Hans Punz

Wien – Ein Land, ein Massentest oder – genauer gesagt – Millionen Covid-19-Tests: Vor diesem Szenario steht Österreich, denn die Regierung will die Bevölkerung, oder möglichst große Teile davon, auf das Coronavirus testen lassen. Seit Mitternacht können sich die Wienerinnen und Wiener auf der Internetplattform www.österreich-testet.at anmelden und einen Termin vereinbaren für die in der Bundeshauptstadt am Freitag startende und bis 13. Dezember laufende Testreihe. Auch für Vorarlberg kann man sich auf der Seite anmelden, für Tirol gibt es Informationen zur dortigen Testreihe. Erste Anmeldeversuche in der STANDARD-Redaktion für Termine in Wien kurz nach Mitternacht und Mittwochfrüh sind völlig problemlos verlaufen, einzelne Termine waren bereits ausgebucht.

Insgesamt werden drei Standorte zu Testzentren umfunktioniert: die Messe Wien, die Marx-Halle und die Stadthalle. Die Aufbauarbeiten an den betreffenden Örtlichkeiten sind bereits angelaufen. Pro Tag sollen dort 150.000 Personen getestet werden.

Angst vor Ansteckung beim Massentest

Genau diese große Zahl, diese schiere Menge verunsichert aber auch potenziell Testinteressierte, die sich beim STANDARD gemeldet haben. "Ich würde mich ja eigentlich testen lassen, aber jetzt habe ich mich monatelang um Abstand bemüht und will nicht riskieren, dass ich mich da in einer Schlange ausgerechnet beim Testen anstecke", lautete eine der Befürchtungen.

Also Nachfrage bei dem Corona-Präventionsexperten Hans-Peter Hutter vom Zentrum für Public Health an der Med-Uni Wien. Begründete Angst? Muss man fürchten, sich ausgerechnet beim Corona-Test mit dem Coronavirus anzustecken? "Zuerst bin ich einmal gespannt, ob überhaupt Massen kommen", sagt Hutter im STANDARD-Gespräch und meint zugleich: "Die Stadt Wien kennt sich aus mit Präventionskonzepten – das tun auch die Gesundheitsbehörden in den Bundesländern –, und das Einzige, was die jetzt nicht wollen, ist, dass man beim Testen einen Cluster zusammenbringt."

Die ganze Organisation sei darauf ausgelegt, die ankommenden Leute über das Anmeldesystem über viele Testlinien Covid-19-Präventions-konform zur Testung und dann wieder hinauszuleiten. "Es hat nur Sinn, wenn da alles gilt, was sonst auch gilt: Alle haben Masken auf und müssen Abstand einhalten. Beim Hineingehen, beim Warten auf das Ergebnis und beim Hinausgehen. Aber ich gehe davon aus, das ist sehr gut organisiert." Angesichts der genannten Hallen spricht Hutter von "Riesenlocations, wo man praktisch den Abstand einhalten kann, und zusätzlich gilt natürlich auch strenge Maskenpflicht".

Rund 300 Testlinien in Wien

Konkret soll der Zustrom an Testwilligen in Wien über insgesamt 286 Testlinien für Schnelltests und 20 für PCR-Tests organisiert und reguliert werden.

Gesundheitsstadtrat Peter Hacker (SPÖ) sagte dazu am Dienstagabend in der "ZiB 2": "Das Wichtigste ist das Anmelden." Vor Ort gebe es Wartezonen im Freien, jede Testperson erhalte noch vor der Halle eine hochwertige FFP2-Maske, und Ordnerpersonal werde sich um die Einhaltung des Mindestabstands kümmern.

Dass jemand mit einem positiven Testergebnis dann die öffentlichen Verkehrsmittel für den Heimweg nutzen könnte, stellt aus Hackers Sicht kein Problem dar. Mit einer FFP2-Maske gehe das "völlig problemlos". Wenn man das nicht wolle, hätte man keine Massentests ausrufen dürfen.

Das sieht auch Umweltmediziner Hutter so: "Ja, das ist ausreichend. FFP2-Schutzmasken sind ein Schutz für mich selbst – und wenn alle anderen auch eine Maske tragen, reicht das. Vor allem weiß die positiv getestete Person ja um ihre Infektion und wird nicht sagen, jetzt verhalte ich mich völlig geistesgestört. Die Menschen, die zum Massentest gehen, haben ja ohnehin ein gewisses Verantwortungsbewusstsein. Also irgendwo ist dann auch eine Grenze, sonst ist das nicht möglich."

Beim Schnelltest bekommt man übrigens ein Stäbchen in die Nase – nicht über den Mund – bis zum oberen Abschnitt des Rachens geschoben, wo eine Probe entnommen wird, erklärt Hutter, der Facharzt für Hygiene und Mikrobiologie ist. Idealerweise sollte unmittelbar vorher nichts gegessen werden für den Fall, dass man positiv ist, denn dann geht es ja weiter zum Gurgeltest, der besser ohne Speisereste abläuft. Zum "Goldstandard" in Sachen Covid-19-Tests, dem PCR-Test, wird nämlich sofort weitergeleitet, wer einen positiven Antigen-Schnelltest bekommt, um mögliche falsche positive Ergebnisse herauszufiltern.

Schnelltests sind nicht so sensitiv wie PCR-Tests

Apropos Sicherheit: Die Sensitivität der Tests, die erst bei einer Viruslast von größer als fünf mal zehn hoch sieben Kopien pro Milliliter (also 50 Millionen) positiv anschlagen, beträgt 96,5 Prozent bzw. bleiben 3,5 Prozent falsch negative Tests. Das heißt, dass rund vier von 100 infizierten Personen falsch negativ getestet werden, sich also sehr wohl mit Covid-19 angesteckt haben, es aber bei diesem Test nicht erfahren. Die Viruslast eines infektiösen, aber asymptomatischen Menschen liegt aber oft weit unter diesem Wert, der Schnelltest erkennt diese Person also nicht als Covid-19-positiv. Darum gilt unabhängig vom Ergebnis auch hier: Weiterhin so verhalten, als wäre man infektiös, also AHA – Abstand, Hygiene, Alltagsmaske. Weil es ja sein könnte, dass man angesteckt ist ...

Angst, sich vor Ort mit Covid-19 anzustecken, hätte der Umweltmediziner Hutter also nicht. Fragt man ihn jedoch, ob er raten würde, sich testen zu lassen, antwortet er, der als jemand, der im Gesundheitsbereich tätig ist, selbst regelmäßig PCR-getestet wird: "Das müssen Sie für sich selbst entscheiden. Sie müssen für sich überlegen, was Sie mit dem Testergebnis wollen. Wenn Sie das Gefühl haben, dass Sie in den letzten Tagen vielleicht in bestimmten unsicheren Situationen waren und wissen möchten, ob sie vielleicht asymptomatisch angesteckt sind, dann können sie sich testen lassen." Nicht jedoch, das ist wichtig, wenn man Covid-Symptome hat! Dann gilt weiterhin: die Gesundheitsnummer 1450 anrufen.

Momentaufnahme für einen Tag

Allerdings, und davor warnt Hutter ganz eindringlich: Der Massentest darf auf keinen Fall missverstanden werden als Instrument, das vielleicht Weihnachten in der Großfamilie oder die Christmas-Party im Freundeskreis "rettet". Tut er nämlich nicht. "Es muss allen klar sein, was der Test bedeutet: Ich bin an diesem Tag nicht infektiös, aber der Test sagt mir nichts über den Folgetag. Das ist kein Freibrief, dass ich mich verhalten darf, als wäre ich nicht infektiös, denn es gibt es kein 100-prozentig sicheres Ergebnis, und ich kann mich nach dem Test noch am selben Tag anstecken", erklärt Hutter: "Am nächsten Tag gilt ein negatives Testergebnis schon nicht mehr. Da ist es vorbei. Das entbindet mich keinesfalls von den üblichen Maßnahmen."

In anderen Worten: Auch wenn ich einen negativen Antigen-Schnelltest in Händen halte, gilt unverändert das, was vorher gegolten hat: Maske tragen, Abstand halten, Hygieneregeln umsetzen.

Unterm Strich bleibe somit: "Die Massentests sind eine Tagesaufnahme, von der man nicht einmal weiß, wie sicher das Ergebnis ist", sagt Hutter, der diese Art der unspezifizierten Flächentestung – wie andere Expertinnen und Experten – daher "aus epidemiologischer Sicht für nicht wirklich epidemiologisch sinnvoll" hält. Gesundheitsstadtrat Hacker sprach in der "ZiB 2" in diesem Zusammenhang von einem "Blitzlicht".

Zwischen Testtheorie und machbarer Praxis

Das ist auch Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP) bewusst. Er hat am Dienstag betont: "Die Massentests werden selbstverständlich wiederholt. In der Theorie wäre es perfekt, die ganze Bevölkerung zwei- oder dreimal zu testen." Damit könnte das Virus "so gut wie ausgelöscht werden". Allerdings stoße man hier an Grenzen der Verfügbarkeit und Logistik. Insofern müsse man das tun, was praktisch machbar sei.

Geplant ist laut Kurz daher die wiederholte Testung von besonders betroffenen Gruppen und Regionen, aber auch eine wiederholte Testung ganzer Bundesländer.

Auch Tirol und Vorarlberg starten am Freitag

In den beiden westlichen Bundesländern wird übrigens am kommendem Wochenende getestet. In Vorarlberg haben sich bis Mittwochmorgen bereits fast 60.000 Bürgerinnen und Bürger online angemeldet, was rund 17 Prozent der zum Test zugelassenen Vorarlberger Bevölkerung entspricht. Insgesamt werden von 4. bis 6. Dezember 80 Teststationen zur Verfügung stehen, man kann sich bei der Anmeldung auch einen Termin aussuchen.

In Tirol werden bis zu 1200 Teststraßen zur Verfügung stehen, wodurch pro Stunde 37.000 Testungen durchgeführt werden können. Die rund 325.000 Haushalte erhielten per Post Datenblätter, die ausgefüllt zum Test mitzubringen sind. Wo und wann man sich zum Test einfinden soll, wird in den Gemeinden separat per Postwurf mitgeteilt. Einzelne Straßen und Siedlungen werden zu bestimmten Zeiten zu den Testlokalen gebeten. Ein amtlicher Lichtbildausweis ist mitzubringen, vor und in den Testlokalen ist der vorgeschriebene Mindestabstand einzuhalten, Masken sind zu tragen. Mehr als 7000 Freiwillige sollen dafür sorgen, dass die Tests geordnet ablaufen und kein Risiko einer Ansteckung vor Ort besteht. Was man sich von dem Aufwand verspricht, wird im Begleitschreiben zur Testeinladung erklärt: "Weihnachten soll so in Tirol zumindest im kleinen Kreis möglich werden." (Lisa Nimmervoll, Steffen Arora, 2.12.2020)