Ein Bild für die Ewigkeit: Wirtschaftsministerin Margarete Schramböck (ÖVP) und WKO-Präsident Harald Mahrer bei der Vorstellung von "Kaufhaus Österreich".

Foto: WKÖ

627.000 Euro: Das ist der Preis, den der österreichische Staat für die neue Shopping-Plattform "Kaufhaus Österreich" bezahlt hat. Dem offiziellen Startschuss am Montag folgten allerdings schnell Zweifel, ob dieses Geld wirklich gut angelegt ist. Außer man hatte es von Anfang an auf die Erheiterung der Online-Community in den schweren Zeiten des Covid-19-Lockdowns abgesehen – dann wäre der Plan nämlich voll und ganz aufgegangen. Denn wie sich schnell herausstellte, fördert die Suchfunktion der Seite gar seltsames zutage – wer will, kann hier also einen wahrlich "Irren Shopping-Trip" unternehmen.

Eine Frage des guten Designs

Doch es geht dabei nicht um das Inhaltliche allein, auch der technische und optische Auftritt der Seite hat für Verwunderung gesorgt – also zumindest in jenen Phasen, in denen sie überhaupt korrekt funktioniert. Kam es doch anfänglich zu einigen Ausfällen, die wohl nicht zuletzt durch den Spott in den sozialen Medien und den Versuch, noch absurdere Ergebnisse zutage zu fördern, ausgelöst wurden.

Beim Webseiten-Design dürfte hingegen die Prämisse gewesen sein, Wirtschaftsministerin Margarete Schramböck (ÖVP) und WKO-Präsident Harald Mahrer möglichst prominent darzustellen, anders ist es nicht zu erklären, dass sie auf der Seite für Unternehmen den Platz dermaßen vollständig einnehmen, dass auf den ersten Blick keinerlei andere Funktionalität zu sehen ist. Doch auch auf der Startseite verwundert, dass die Suchfunktion, und damit das eigentliche Herz so einer Seite, erst nach zweimaligem Scrollen präsentiert wird.

Hilfreiche Tipps, selbst nicht befolgt

Umso amüsanter erscheint da, was einem aufmerksamen Twitter-Nutzer aufgefallen ist. Gibt das "Kaufhaus Österreich" doch auf einer eigenen Unterseite Empfehlungen für gutes Webseiten-Design ab – bei deren Überprüfung man allerdings selbst unisono durchgerasselt wäre. So wird beispielsweise als allererster Punkt darauf verwiesen, dass die "Benutzerfreundlichkeit (Usability), mit anderen Worten, wie einfach, intuitiv und reibungslos Ihre Website nutzbar ist", bei der Entwicklung im Fokus stehen sollte. Ein guter Ratschlag in dieser Hinsicht ist es üblicherweise, die zentrale Funktion der Seite in den Vordergrund zu stellen – und nicht Promotion-Material. Es gibt nun einmal einen Grund dafür, dass die Google-Startseite so aussieht, wie sie aussieht – minimalistisch.

Unklar bleibt zunächst, ob man einen weiteren Rat bei der Gestaltung der Oberfläche von "Kaufhaus Österreich" befolgt hat – nämlich die "Emotionen, die Nutzerinnen und Nutzern bei der Interaktion mit Ihrer Website haben", in Betracht zu ziehen. Eventuell hat man dies tatsächlich untersucht und hat nur Freude bei den Testsubjekten erkannt, aber nicht näher untersucht, was sie jetzt so glücklich macht. Also der Spott und nicht das exzellente Nutzungserlebnis.

Könnte man durchaus so machen

Prinzipiell sind das übrigens alles durchaus richtige Ratschläge, das gilt insbesondere für die nächste Kategorie: Dort wird nämlich der Rat gegeben, vorher Nutzertests durchzuführen. "Erstellen Sie eine oder mehrere Personas, inklusive deren Motivationen, Bedürfnissen, Zielen, Herausforderungen oder Problemen", steht da geschrieben, oder auch: "Identifizieren Sie sogenannte Use Cases."

Dass diese Herangehensweise bei der Entwicklung von "Kaufhaus Österreich" gewählt wurde, darf allerdings bezweifelt werden. Immerhin scheinen nicht einmal die Verantwortlichen so recht zu wissen, wofür die Plattform genau da ist. So sprach Ministerin Schramböck zunächst von einer österreichischen Alternative zu Amazon und verwies als Nutzungsbeispiel auf die Suche nach dem Begriff "Schuhe". Genau solche produktorientierten Suchen führen aber zu keinem sinnvollen Ergebnis, wie die Nutzer schnell herausfanden. Also bemühte man sich aufseiten der Projektbetreiber zu betonen, dass das gar nicht so gedacht sei, vielmehr handle es sich um eine Art Shopverzeichnis, in dem man nach Ort und Produktkategorie suchen könne – aber nicht einzeln einkaufen.

Die Sinnfrage

Diese Beschreibung wirft aber wiederum eine ganz andere Frage auf, nämlich: wozu das Ganze dann eigentlich? Wenn jemand bereits weiß, wo ein Shop ist und wie er heißt, dann wird er wohl nicht auf "Kaufhaus Österreich" gehen. Dann weiß er ja eben schon, was er will, und kann gleich direkt auf die Seite des Anbieters gehen. Und falls er deren Adresse nicht kennt, dann profitiert er davon, dass vor ein paar Jahrzehnten das Konzept der Suchmaschine erfunden wurde.

Aus der Prä-Google-Ära

Was die Angelegenheit so verblüffend macht: Mit etwas Abstand betrachtet handelt es sich beim "Kaufhaus Österreich" um nichts anderes als ein Linkverzeichnis. Eine Kategorie von Webseiten, die seit mehr als zwei Jahrzehnten weitgehend ausgestorben ist. Wer bereits lange genug im Web unterwegs ist, wird wissen, dass es in der Prä-Google-Zeit zahlreiche Webseiten gab, die versuchten, das Angebot im Internet manuell zu sortieren. Mit dem Aufkommen moderner Suchmaschinen ist das aber seit langem Geschichte.

Was die Linkverzeichnisse bei Altavista und Co vom "Kaufhaus Österreich" allerdings unterscheiden: Sie nahmen auch so etwas wie eine Qualitätsprüfung vor, während sich bei der neuen Webseite offenbar praktisch jeder zu allem eintragen kann. Dass dann zum Teil auch auf Onlineshops verlinkt wird, die nicht einmal die Datenverbindung zu den Nutzern verschlüsseln, passt gut in dieses Bild. (Andreas Proschofsky, 2.12.2020)