Ulli Sima ist seit 2004 Mitglied der Landesregierung – und damit die bei weitem längstdienende Stadträtin Wiens. Sima hatte 1995 noch für die Grünen kandidiert, wechselte dann aber zur SPÖ und zog für die Roten 1999 in den Nationalrat ein.

Regine Hendrich

Nach 16 Jahren als Umweltstadträtin steht Ulli Sima neuerdings dem Verkehrsressort in der Wiener Stadtregierung vor. Ihr Büro im Rathaus behält sie: Vizebürgermeister Christoph Wiederkehr (Neos) zieht in das Büro der einstigen grünen Vizebürgermeisterin Birgit Hebein.

STANDARD: Zehn Jahre lang wurde das Verkehrsressort von zwei grünen Politikerinnen geleitet. Was wird mit Ihnen als SPÖ-Stadträtin anders?

Sima: Ich hatte das Gefühl, dass beim Thema Verkehr vor allem in letzter Zeit viele Wunden aufgerissen worden sind. Es wurde stark polarisiert, Nutzergruppen wurden gegeneinander ausgespielt. Das möchte ich nicht machen. Mein Ziel, ist dass der Verkehr auf den Hauptstraßen flüssig fließen kann. Das gilt nicht nur für Autos, sondern natürlich auch für den Radverkehr und Öffis. Tempo-30-Zonen auf der Busspur halte ich nicht für sinnvoll.

STANDARD: Ist Tempo 30 auf Straßen mit Öffis also kein Thema?

Sima: Von der Grundregel her wünsche ich mir, dass wir Öffis beschleunigen und nicht einbremsen.

STANDARD: Laut Koalitionspakt zwischen SPÖ und Neos soll der Anteil der Pkw-Pendler, die nach Wien kommen, bis 2030 halbiert werden. Aktuell kommen nach Zahlen der Arbeiterkammer täglich 120.000 Pendler mit dem Pkw nach Wien. In zehn Jahren sollen es nur noch 60.000 sein?

Sima: Das ist unser Ziel, und auf das werden wir hinarbeiten. Wir haben jetzt schon mit dem Parkpickerl die Pendler, die mit dem Auto gekommen sind, reduziert. Dazu habe ich noch in meiner Funktion als Umweltstadträtin vorgeschlagen, drei Straßenbahnen nach Niederösterreich zu errichten: nach Schwechat, Großenzersdorf und Kaltenleutgeben. Da erhoffe ich mir, dass es vom Bund eine Förderung gibt und wir das mit Niederösterreich umsetzen können. Nach Schwechat haben wir 2023 im Plan. Dazu kommt der Ausbau der S-Bahn der ÖBB. Niederösterreich und das Burgenland müssen sich mehr als bisher bemühen, um für ihre Pendler mehr zu erreichen.

STANDARD: Wird es ein wienweites Parkpickerl geben?

Sima: Es ist klar geplant, das Parkpickerl zu vereinheitlichen und auszuweiten. Da muss ich aber noch mit den Bezirken reden. Ich bin erst vor kurzem angelobt worden. Ich habe noch kein fertiges Konzept in der Schublade und bitte um ein wenig Geduld.

Verkehrsstadträtin Ulli Sima hat noch "kein fertiges Konzept" für das Parkpickerl. Geplant ist aber, dieses zu vereinheitlichen und auf die ganze Stadt auszuweiten. Noch haben vier Bezirke kein Parkpickerl: Hietzing, Donaustadt, Floridsdorf und Liesing.
Regine Hendrich

STANDARD: Für den Ausbau von Radwegen sollen 20 Millionen zusätzlich pro Jahr ausgegeben werden. Das ist fast eine Vervierfachung bisheriger Mittel. Warum war das bisher nicht möglich?

Sima: Zur Vergangenheit kann ich nichts sagen. Wir wollten jetzt einen besonderen Schwerpunkt setzen. Das halte ich für gescheit. Wir sehen im Lockdown, dass viel mehr Leute zu Fuß gehen und mit dem Rad fahren. Wir müssen ein Angebot schaffen und Lücken in den Hauptachsen schließen.

STANDARD: Wie sieht es mit Pop-up-Projekten aus?

Sima: Ich will dauerhafte Projekte und keine Pop-up-Vorhaben. Das hat zu einer solchen Polarisierung geführt. Ich will da die Emotionen rausnehmen, das wird eh schwierig genug.

STANDARD: Ihr Parteifreund, Bezirksvorsteher Gerhard Zatlokal aus Rudolfsheim-Fünfhaus, tritt für eine Fortsetzung des Pools beim Gürtel ein. Wird dieser wieder auf einer Gürtel-Kreuzung errichtet?

Sima: Mit mir wird es keinen Pool auf einer Straße geben. Ansonsten bin ich für Pools nicht zuständig. Wir haben tolle Bäder und die Alte Donau und die Donauinsel.

STANDARD: Im Bezirk Donaustadt soll die vierspurige Stadtstraße Aspern mit der künftigen S1-Verlängerung verbinden. Wann erfolgt hier der Baubeginn?

Sima: Das kann ich noch nicht sagen. Fakt ist, die Seestadt braucht neben der U-Bahn eine Straßenanbindung zur Entlastung des gesamten Bezirks.

Sima: "Mit mir wird es keinen Pool auf einer Straße geben. Ansonsten bin ich für Pools nicht zuständig."
Regine Hendrich

STANDARD: Wie sieht es mit dem Lobautunnel aus?

Sima: Da weiß die Asfinag mehr. Der Baustart für die Stadtstraße wird unabhängig vom Lobautunnel erfolgen. Auch dann, wenn das Lobautunnel-Verfahren noch nicht abgeschlossen sein sollte.

STANDARD: Wie wird die im Koalitionspakt versprochene Verkehrsberuhigung in der Inneren Stadt aussehen?

Sima: Wir stehen klar für Verkehrsberuhigung. Aber die Situation, die man mir hinterlassen hat, ist sehr verfahren. Der Verordnungsentwurf ist laut Verfassungsdienst nicht verfassungskonform. Und die Polizei sagt, dass sie das geplante Einfahrtsverbot nicht kontrollieren kann. Man muss hier einen Neustart machen. Und um die Einfahrt mit Verkehrskameras kontrollieren zu können, dafür braucht es Änderungen in der Straßenverkehrsordnung. Dafür werden wir uns auf Bundesebene starkmachen.

STANDARD: Rechnen Sie mit einem langwierigen Verfahren?

Sima: Derzeit ist eine Lösung mit Kameras rechtlich nicht möglich. Es gibt auch die Möglichkeit, klassische Verkehrsberuhigungen zu machen, etwa mit Begegnungszonen. Die hängen nicht an einem Einfahrtsverbot, sind aber leichter zu realisieren. Wenn die Variante mit den Kameras nicht schnell kommen kann, muss man sich Plan B überlegen.

STANDARD: Die Stadt prüft die Neos-Idee, Seilbahnen in Wien zu errichten. Konkret ist von einer Verbindung von Hütteldorf nach Ottakring die Rede. Was halten Sie davon?

Sima: Wir werden eine Machbarkeitsstudie in Auftrag geben. Experten sollen erarbeiten, wie hoch ein Investitionsvolumen ist und ob es einen Investor dafür gibt. Den findet man erfahrungsgemäß nur dann, wenn es sich auch wirtschaftlich rechnet.

STANDARD: Würde die Seilbahn also nur mit einem privaten Partner realisiert?

Sima: Das hätte ich schon so gesehen. Auch beim letztlich nicht realisierten Seilbahnprojekt auf den Kahlenberg wäre es über einen privaten Investor gelaufen.

STANDARD: Was sagen Sie zu diesem Seilbahnprojekt?

Sima: Ich habe per se kein Problem damit. Ich denke, so ein Projekt ist nur wirtschaftlich, wenn es auch touristisch genützt wird. Ich bin mir aber nicht sicher, ob es zum Otto-Wagner-Areal den größten touristischen Bedarf gibt. Da gibt es gescheite Leute, die sich das ganz genau anschauen können.

STANDARD: Wo soll die Seilbahn Ihrer Ansicht nach hinführen?

Sima: Ich bin noch keine Verkehrsexpertin. Ich werde mich hüten, hier irgendwelche Sachen zu planen. Dazu gibt es nun intensive Untersuchungen.

Für Sima wäre eine Seilbahn in Wien nur mit einem privaten Investor umzusetzen.
Regine Hendrich

STANDARD: Warum wurden die Kurzparkzonen in Wien im Lockdown anders als in anderen Städten diesmal nicht außer Kraft gesetzt?

Sima: Im März waren die Straßen fast menschenleer. Jetzt ist es so, dass es eine gewisse Normalität im Arbeitsleben gibt. Deshalb haben wir uns dazu entschlossen, alles so zu belassen, wie es auch im normalen Betrieb ist. Auch um nicht zusätzlichen Verkehr anzuziehen. Die Öffis fahren wie gewohnt im dichten Intervall.

STANDARD: Ab Jänner 2021 war geplant, in Wien ein De-facto-Fahrverbot für Lkws ohne Abbiegeassistenten umzusetzen. Das kommt jetzt nicht. Sie sagen, die von Ihrer grünen Vorgängerin Birgit Hebein erarbeitete Verordnung ist nicht EU-konform. Laut den Grünen hat die EU aber zuletzt keine Einwände mehr gehabt. Was stimmt hier?

Sima: Wenn es tatsächlich keine Bedenken vonseiten der EU gäbe, hätte meine Vorgängerin ihr Vorhaben ja umsetzen können. Ihr Plan lag ein halbes Jahr lang in der Schublade. Sie hat den Menschen in etlichen Bereichen viel versprochen, was schlicht nicht umsetzbar ist, und mir damit etliche schwer lösbare Themen hinterlassen. Ich nehme die Bedenken der EU und ihre Empfehlungen sehr ernst. Wir überprüfen erneut alle Kreuzungen und entschärfen, wenn nötig. Darüber hinaus suche ich das Gespräch auf Bundesebene für rasche österreichweite Lösungen. Wir machen unsere Hausaufgaben, der Fuhrpark der Stadt wird gerade nachgerüstet. Im Frühjahr sind wir fertig, aktuell rüsten wir zehn Lkws pro Woche nach.

Ulli Sima kritisiert in puncto Abbiegeassistent ihre Vorgängerin Birgit Hebein von den Grünen: "Wenn es tatsächlich keine Bedenken vonseiten der EU gäbe, hätte meine Vorgängerin ihr Vorhaben ja umsetzen können. Ihr Plan lag ein halbes Jahr lang in der Schublade."
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STANDARD: Sie waren 16 Jahre lang Stadträtin für Umwelt. Warum führen Sie jetzt das Verkehrsressort?

Sima: Weil mich der Bürgermeister darum gebeten hat. Und weil ich glaube, die Umwelt- und Klimaschutzkompetenzen in das Ressort einbringen zu können. Vor allem die Stadtentwicklung will ich auf neue Beine stellen. Da muss es mehr Grün und mehr Kühlung geben. Ein Beispiel ist der Praterstern, den wollen wir als Erstes angehen. Der Platz soll mit mehr Begrünung und Wasserkühlungskonzepten aufgewertet werden.

STANDARD: Sie waren davor auch Öffi-Stadträtin. Wieso verzögert sich der U2/U5-Ausbau? Noch immer gibt es keine Ausschreibungsergebnisse.

Sima: Zur Vergangenheit: Die Preise waren so jenseits von Gut und Böse, dass es eine neue Ausschreibung gegeben hat. Jetzt ist das Kompetenz von meinem Kollegen Peter Hanke.

STANDARD: Sie sind die bei weitem längstdienende Stadträtin in Wien. Werden Sie die volle Legislaturperiode in der Stadtregierung bleiben – oder gibt es einen Plan für eine Übergabe?

Sima: Mein Plan ist natürlich, die volle Legislaturperiode zu machen. (David Krutzler, 3.12.2020)