Li Chen und Joseph Kiang versorgen die Gäste auch weiterhin mit ihrer leichtfüßigen Interpretation chinesischer Klassiker.

Foto: Georges Desrues

Das größte Problem von Kiangs Wine & Dine fällt dieser Tage weg: Die Kleinheit der Hütte machte spontane Besuche in der legendären Weinbar von Li Chen und Joseph Kiang in den vergangenen Jahren eher unmöglich.

Wer nicht tagelang im Voraus reserviert hatte, musste den Genuss ihrer dezidiert leichtfüßigen, um die eine oder andere Anleihe bei anderen Weltküchen nie verlegene Interpretation chinesischer Klassiker samt Kombination mit feinsinnig ausgesuchten Weinen auf ein andermal verschieben. Seit vergangener Woche ist das, wie schon beim ersten Lockdown im Frühling, kein Thema mehr.

Man muss sie halt daheim verputzen. Wer auf der Homepage unter "Catering" nachsieht, entdeckt eine gar nicht so kleine Auswahl an Kiangs Klassikern, von Pflichtbestellungen wie den gebratenen Fisolen oder Wan Tan in Chiliöl bis zu mediterran anmutenden Kreationen wie erst geschmortem, dann gegrilltem Oktopus mit Blattspinat und Schmorparadeisern.

Die Auswahl ist alles andere als klein, was es aber nicht gibt, sind die von Kennern von jeher heiß geliebten Innereien- und sonstigen Igitt-Gerichte des Hauses, von Schweinefuß bis -ohren.

Weine zum Mitnehmen

"Unsere Mitarbeiter sind allesamt in Kurzarbeit", sagt Kiang, "da gehen sich manche Arbeitsschritte einfach nicht aus." Weine aus Kiangs beneidenswert gut sortiertem Keller gibt es aber sehr wohl zum Mitnehmen, und zu sehr fairen Preisen noch dazu. Tipp: Der sonst kaum zu bekommende Rawländer, ein Naturwein aus der begnadeten Hand von Willi Bründlmayers Kellermeister Andreas Wickhoff, um 23 Euro.

Dass sich die kraftvolle, im Vergleich zu anderen Chinarestaurants aber dramatisch Öl-reduzierte Aromenküche der Kiangs ganz wunderbar zu großen Weinen macht, ist seit Jahren etabliert. Im Lockdown heißt es Abholung und Heimkommen aber exakt zu planen, andernfalls sitzt man vor ebenso prächtigen wie nur noch lauwarmen Herrlichkeiten.

Bing, die mit Fleisch und Grammeln gefüllten, knusprigen Pfannkuchen, die so gefährlich köstlich zum nächsten Schluck verleiten, lassen sich auf die Schnelle in der Pfanne reanimieren. Die anderen Sachen schmecken im Zweifel auch lauwarm gut.

Vor allem, wenn man rechtzeitig daran gedacht hat, ein bissl Reis zuzustellen. Den gibt es bei Kiang nämlich auch im Lockdown nicht, und er liefert, brennheiß aus dem Topf gehoben, genau jene Wärme, die den Gerichten nach einem forschen Gang durch die Kälte des Novembers unter Umständen abgeht.

Es flattern die Wan Tan

Die bereits erwähnten Fisolen, mit Salzgemüse, Sichuanpfeffer, Ingwer und einer Idee Knoblauch angebraten, sind so ein Fall: Knackig, saftig, herrlich rund abgeschmeckt – und mit einem Happen heißem Reis gleich noch einmal so gut.

Jiaozi, wahlweise mit Fleisch oder (noch zart knackigem) Gemüse gefüllt und in Reisessig getunkt, sind Teigtaschen der verboten guten Art – aber natürlich hausgemacht. Dasselbe gilt für die in würzigem Sichuan-Chiliöl flatternden Wan Tan.

Mapotofu ist in Sachen Säure und Sichuanpfeffer vergleichsweise schüchtern abgeschmeckt, dass er dennoch herzerwärmend pikant und schlabbrig zugleich rüberkommt, ist bei Kiang aber selbstverständlich. Knackig frittierter Kürbis wird mit Sesamdressing geradezu mittelöstlich interpretiert, allein die prononcierte Schärfe zieht das Gericht weiter nach Asien hinein.

Wem nach Deftigem ist, der sollte auf die unter "Convenience" vermerkten Zhajiang Mian spitzen: chinesische Weizennudeln zum Selberkochen (in nicht gesalzenem Wasser!), mit einem Sugo aus von Hand gehacktem Schweineschopf mit schillernden Gewürzen und dunkel fermentierten Aromen – Past’asciutta der fernöstlichen Art, ganz herausragendes Comfort-Food für einsame Abende in der Isolation. (Severin Corti, RONDO, 4.12.2020)

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