Wolfgang Sobotka (ÖVP) lädt zum Gebet, Kultusministerin Raab folgt.

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Das Parlament der Republik Österreich veranstaltet am 8. Dezember einen besonderen Event: nämlich einen klar religiösen. Nationalratspräsident Wolfgang Sobotka (ÖVP) und Bundesratspräsidentin Andrea Eder-Gitschthaler (ÖVP) laden da nämlich zur "adventlichen Gebetsfeier" namens "Hoffnung in der Krise".

Die angekündigte Rednerliste ist rein christlich: Impulse geben sollen die einstige steirische Landeshauptfrau Waltraud Klasnic sowie Georg Mayr-Melnhof, Jugendleiter der Erzdiözese Salzburg sowie Gründer der Loretto-Gemeinschaft. Diese begreift sich als "charismatisch", sie "betet, lebt und wirkt" für eine "Erneuerung der Kirche" und ist auch innerhalb von Kirchenkreisen nicht unumstritten.

Gebete und Lesungen

Außerdem gibt es eine Lesung von Kultusministerin Susanne Raab (ÖVP), die nicht – wie anfangs vernommen – aus der Bibel liest, sondern Grußworte vorträgt. Darüberhinaus können dann Abgeordnete aller Fraktionen und Vertreter der verschiedenen Konfessionen lesen und beten. Moderiert wird die Veranstaltung von der ÖVP-Abgeordneten Gudrun Kugler, die für eine christliche Politik kämpft.

Kugler verweist darauf, dass ein überkonfessionelles "Gebetsfrühstück" schon länger stattfinde. Im dazugehörigen Komitee sind Abgeordnete aller Parteien vertreten. Die "adventliche Gebetsfeier" sei daraus entstanden, es sei keine Veranstaltung der ÖVP. Der Überhang ergebe sich dadurch, dass Nationalratspräsident und Bundesratspräsidentin sowie Kultusministerin von der Volkspartei gestellt werden. Von acht Kirchenvertretern seien nur zwei katholisch; ein mitwirkender Abgeordneter sei altkatholisch. Auch ein Vertreter der jüdischen Glaubensgemeinschaft werde sprechen, erklärt Kugler.

Laut einem Ablaufplan sollen Abgeordnete aus allen im Parlament vorhandenen Fraktionen vorbeten oder lesen. Die "adventliche Gebetsfeier" wird im Unterschied zum Gebetsfrühstück allerdings per Livestream von der offiziellen Webseite des Parlaments übertragen. Dem Vernehmen nach soll der Termin innerhalb der Parlamentsdirektion äußerst umstritten gewesen sein. Versuche, Nationalratspräsident Sobotka von der Einladung abzubringen, scheiterten offenbar.

Update I (2. 12., 14.25 Uhr): Rückzüge und Kritik von Bures

Sowohl der SPÖ-Mandatar Peko Baxant als auch der Neos-Bundesrat Karl-Arthur Arlamovsky haben ihre Teilnahme an der Veranstaltung laut STANDARD-Informationen abgesagt. Es würden auch keine anderen Neos-Mandatare vor Ort sein, heißt es aus dem pinken Klub.

Die Zweite Präsidentin des Nationalrats, Doris Bures (SPÖ), lässt auf STANDARD-Anfrage ausrichten, dass sie in die Organisation der Veranstaltung "überhaupt nicht eingebunden" war. Sie selbst "vertritt die Auffassung, dass Österreich aufgrund seiner Geschichte sehr sensibel mit dem Thema der Trennung von Staat und Religion umgehen sollte", sagt ein Sprecher.

Update II (2.12., 15.50 Uhr): Baxant will sich nicht instrumentalisieren lassen, Sobotka verteidigt Veranstaltung

Der Wiener SPÖ-Gemeinderat Peko Baxant, der ursprünglich seine Teilnahme zugesagt hatte, bestätigte seine Absage dem STANDARD: Er sei zwar ein gläubiger Mensch und "immer bereit, wenn es um Glaubensgeschichten geht, dass ich über Parteigrenzen weg mit anderen Menschen bete und kommuniziere". Aber "diese Geschichte ganz konkret ist mittlerweile ein bissl abgedriftet und mir ist das zu vereinnahmt von der türkisen ÖVP. Da lass ich mich nicht instrumentalisieren, dafür ist mir mein Glaube zu wichtig", sagt Baxant.

Aus dem Büro von Nationalratspräsident Wolfgang Sobotka heißt es, der Präsident lege "besonders Wert auf den interkonfessionellen und überfraktionellen Charakter der Veranstaltung". Man verweist darauf, dass unter den Kirchenvertretern sieben Konfessionen bzw. Glaubensgemeinschaften mittels Videobotschaften vertreten seien, etwa der katholische Kardinal Christoph Schönborn, der evangelische Bischof Michael Chalupka oder Oberrabiner Jaron Engelmayer. Bei den übrigen angeführten Gästen handelt es sich um hohe Vertreter weiterer christlicher Kirchen oder Glaubensgemeinschaften.

"Die Abhaltung der Veranstaltung wird in der morgigen Präsidiale mit der Zweiten Präsidentin und dem Dritten Präsidenten thematisiert. Abgeordnete aus allen Fraktionen wurden eingeladen mitzuwirken", sagt ein Sprecher Sobotkas.

Update III (2.12., 18.20 Uhr)

Susanne Raab wird "Grußworte" verlesen. (fsc, sefe, 2.12.2020)