Das Recht gilt als trocken, Juristinnen und Juristen oft als langweilig. Und tatsächlich gibt es Rechtsbereiche, die sind unsexy. Die Beschäftigung mit dem Recht an sich kann aber spannend sein. Das Recht bestimmt unsere Gesellschaft, und wer etwas verändern, verbessern will, der ist nicht selten auf rechtliche Mittel angewiesen – Klagen, Anträge, Beschwerden. Das Recht bietet uns Möglichkeiten, Tools, Werkzeuge, um die Dinge zu verändern. Das gilt für konkrete Sachverhalte, das Leben des Einzelnen, aber auch die Gesellschaft als Ganzes – das Rechtsleben reicht von der Anzeige gegen den lauten Nachbarn über den Obsorgeantrag bis hin zum Volksbegehren. Empowerment gelingt oft im Wege des Rechts. Dass die Rechtswissenschaft diesen Aspekt selten betont, dass Behörden wie Bürgerinnen und Bürger sich mit eingeübtem Verwalten zufriedengeben, ist die andere Seite. Aber das muss ja nicht so bleiben.

Der Richter und der Diktator

Beginnen wir zu recherchieren, stoßen wir schnell auf Rolemodels, die uns zeigen, was das Recht so kann. Auf Baltasar Garzón zum Beispiel.

Garzón ist eine der herausragenden Richterpersönlichkeiten der Gegenwart. Als Untersuchungsrichter in Spanien griff er aus eigener Initiative zahlreiche Fälle auf. Er tat, was jedes andere Justizsystem der Welt auch hätte tun können – unter Berufung auf das Weltstrafrecht erließ er einen Haftbefehl gegen den früheren Diktator Chiles, Augusto Pinochet, wegen Folter und Ermordung spanischer Staatsangehöriger (Pinochet hielt sich in Großbritannien auf, das seine Rückreise nach Chile ermöglichte).

2012 wurde über Garzón ein elfjähriges Berufsverbot wegen Rechtsbeugung verhängt. Heute berät er Julian Assange in Rechtsfragen.
Foto: EPA/NEIL HALL

Garzón initiierte zahlreiche weitere spektakuläre Ermittlungen – unter anderem gegen die Führung der früheren Militärdiktatur Argentiniens, gegen Mitglieder der Terrororganisation Al-Kaida, aber auch gegen Verantwortliche des US-Anhaltelagers Guantánamo wegen des Verdachts der Folter. Gegen den früheren Ministerpräsidenten Italiens, Silvio Berlusconi, strengte Garzón ein Korruptionsverfahren an. Als Garzón begann, wegen Verbrechen der Franco-Diktatur zu ermitteln, fiel er in Spanien in Ungnade – er wechselte schließlich zum Internationalen Strafgerichtshof. Seine Leistungen wurden mit 21 Ehrendoktoraten, bis auf eines alle von nichtspanischen Universitäten verliehen, gewürdigt. (Oliver Scheiber, 9.12.2020)